HVD kritisiert die Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel

HVD kritisiert die Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor und während des 2. Ökumenischen Kirchentags. Zugleich begrüßt der Verband die Öffnung der großen deutschen Kirchen zum kritischen Dialog und begrüßt Forderungen nach grundlegenden Korrekturen in den kirchlichen Ordnungsstrukturen.

Nach Abschluss des 2. Ökumenischen Kirchentages in München begrüßt der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) die Öffnung der beiden großen deutschen Kirchen zum kritischen Dialog. Die Vielfalt des Diskussionsbedarfs und der wachsenden Diskussionsbereitschaft machte das Programm des Kirchentages mit über 3.000 Veranstaltungen deutlich.

Zugleich muss der Humanistische Verband Deutschlands aber auch feststellen, dass die Missbrauchsdebatte, die u. a. auch die Kirche seit Monaten intensiv beschäftigt, im Programm des Kirchentages kaum vorkam. Lediglich zwei der über 3.000 Veranstaltungen widmeten sich diesem Thema. Im Vergleich dazu: Mit der Bibelarbeit konnten sich Interessierte in mehr als 130 Veranstaltungen auseinandersetzen. Dem gesellschaftlichen Aufarbeitungsinteresse der Missbrauchs- und Misshandlungsvorfälle in der Kirche kamen die Veranstalter somit nicht nach.

Umso mehr begrüßt der HVD die kritischen Äußerungen zahlreicher Politiker auf dem Kirchentag: So sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), dass die katholische Kirche „die gegenwärtige Erschütterung“ nicht wieder schnell beiseite schieben dürfe und forderte grundlegende Korrekturen innerhalb der Kirche. Diese Korrekturen können nach Ansicht des Humanistischen Verbands Deutschlands nur einer Unterordnung der nur wenig transparenten innerkirchlichen Sanktionsmechanismen unter das bundesdeutsche Rechtsstaatssystem und eine uneingeschränkte Kooperation der Kirche mit den Justizbehörden bei Missbrauchsverdachtsfällen entsprechen. Darüber hinaus muss der Würde der Opfer auch innerhalb der Kirche wieder ein höherer Wert beigemessen werden, als den innerkirchlichen Ordnungsprinzipien.

Diesen in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland geradezu selbstverständlichen Forderungen, die der Humanistische Verband Deutschlands bereits seit Jahren aufrecht erhält und zuletzt von verschiedenen Seiten an die Kirche herangetragen wurden, stoßen innerhalb der beiden großen Kirchen immer noch auf Widerstand. Immer wieder war am Rande des Kirchentags von eine „Verschwörungskampagne gegen die Kirchen“ die Rede. Bei der Faktenlage kann davon keine Rede sein. Hier den innerkirchlichen Dialog anzukurbeln und offensiv Aufklärungsarbeit zu leisten, ist Aufgabe der Kirchen, zu denen der HVD deren Vertreter auffordert.

Verwundert zeigt sich der HVD über die Äußerungen des amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler, der in einem Zeitungsinterview zu einer neuen inneren Mission aufrief: „Meine Bitte an die christlichen Kirchen ist: Kämpfen Sie um jeden Einzelnen. Sie haben einen Auftrag von Gott, seine Botschaft zu vermitteln, weil sie etwas Gutes ist, weil sie den Menschen hilft. Daher rührt mein Appell an die Kirchen, eine neue innere Mission zu beginnen.“ Herr Köhler ist Präsident aller Deutschen, auch der anders- oder nichtkonfessionellen. In seiner Funktion als höchster öffentlicher Repräsentant der Bundesrepublik die Missionierung anderer Menschen zu empfehlen, entspricht nicht den Aufgaben in seinem politischen Amt. Insbesondere wenige Tage vor Beginn der vierten Islamkonferenz ist eine solche Äußerung ein nicht hinnehmbarer Affront gegen alle Nicht- oder Andersgläubigen, die in Deutschland leben.

Auch Angela Merkel bekannte sich in seltsam unzweifelhafter Manier zum Christentum als Oberster Instanz: “Die christliche Überzeugung muss im täglichen Leben immer wieder deutlich gemacht werden, bei all den Problemen, die uns begegnen.”, verkündete Sie auf den Seiten der Bundesregierung anlässlich des Kirchentages. Zugleich beanspruchte sie weltweite Geltung für „unsere Vorstellung vom christlichen Menschenbild“. Diese Äußerung ist angesichts der weltanschaulichen Neutralität eines säkularen Staates mehr als eine verbale Entgleisung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um den Afghanistan-Einsatz und internationale Militäreinsätze ist diese Aussage fatal, da sie den Eindruck erwecken kann, dass es sich bei dem Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch um einen Kreuzzug des christianisierten Westens handeln würde.

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