Recht auf Bildung umfasst auch Sexualpädagogik

HVD: Resolution des Forums Deutscher Katholiken gegen aufklärende Sexualpädagogik in Bildungseinrichtungen ist reaktionär und wirklichkeitsfremd.

Ines Scheibe, Präsidiumsmitglied im Humanistischen Verband Deutschlands, hat gestern eine Resolution des Forums Deutscher Katholiken als „reaktionäre und wirklichkeitsfremde Aktion“ beurteilt. Die Stellungnahme des Forums, zu dem unter anderem die Bischöfe Joachim Meisner und Gerhard Ludwig Müller gehören, wandte sich am 10. September 2011 gegen eine „aktive Untergrabung“ des elterlichen Erziehungsrechts durch eine „manipulative Sexualerziehung in Kindergärten, Schulen und sonstigen Einrichtungen“. Die Heranwachsenden würden nach Auffassung dieser katholischen Organisation „durch unangemessene und schamlose Unterrichtsinhalte“, in ihrem „natürlichen Schamgefühl“ verletzt und persönlichkeitsverletzend sexualisiert werden. Die Anwürfe richten sich unter anderem gegen die Berliner Initiative „Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“, welche seit 2009 beispielgebend die Bekämpfung von Homophobie zum Inhalt hat.

„Selbstverständlich haben Eltern das Recht, ihre eigenen Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen zu erziehen“, stellte Ines Scheibe beim Blick auf die Resolution fest. Gleichzeitig ist sexualpädagogische Arbeit in Schulen und Kindertagesstätten ein wertvoller und unverzichtbarer Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrags, der die individuelle Aufklärung durch Eltern unterstützt und ergänzt, so Scheibe weiter. „Die Resolution zielt nun offenbar darauf, alle Heranwachsenden von Inhalten sexueller Aufklärung auszunehmen, die für eine Reihe besonders konservativer Theologen unbequem sind. Dabei wird eine unverantwortliche Verkürzung des Rechts auf Bildung angestrebt.“

Sexualerziehung umfasst heute informierende, aufklärende, wertbildende und kommunikative Aspekte, dient der Identitätsfindung und der Entwicklung von toleranten Persönlichkeiten, die zu selbstbestimmten sowie verantwortungsvollen Verhalten in der Lage sind und ihren Mitmenschen mit Respekt, aber ohne Klischees und Vorurteile begegnen. Dafür ist die Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Instanzen nötig, die Orientierung an der Wirklichkeit statt an Dogmen und speziellen Wunschvorstellungen unerlässlich. Die Unterzeichner der Resolution wären gut beraten gewesen, wenn sie sich bei den angesprochenen Themen über einfachste wissenschaftliche Erkenntnisse der Biologie, Psychologie und Pädagogik in Kenntnis gesetzt hätten, so Scheibe.

„Und ein unbeschränktes Recht von Eltern, die Heranwachsenden zu angst- und komplexbeladenen oder homophoben sowie in Fragen menschlicher Sexualität höchst unverständigen Persönlichkeiten zu erziehen, sollte auch nicht unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit durchgesetzt werden dürfen.“ Der vom Forum Deutscher Katholiken geäußerte Vorwurf einer manipulativen Sexualerziehung durch staatliche Stellen ist für Ines Scheibe von einer offenkundigen Doppelmoral geprägt. Die Kritik an einer Verletzung des Schamgefühls von Kindern durch Unterrichtsmaterialien muss angesichts der zutiefst schuld- und sühneverstrickten Sexualmoral des offiziellen Katholizismus von jedem vernünftigen Menschen zurückgewiesen werden. Ines Scheibe plädierte schließlich auch dafür, das Vorgehen anderer Gruppen mit ähnlichen Moralvorstellungen aufmerksam zu beobachten, damit der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Konsequenzen einer von antiquierten Auffassungen und Unwissenheit geprägten Halbbildung gewährleistet bleibt.

Die Erziehung im Bereich der Sexualität und Paarbindungen sollte auch in Zukunft eine Aufgabe bleiben, die in der Familie und in der Schule gleichermaßen und in Kooperation wahrgenommen werden muss, damit bei Kindern und Jugendlichen eine positive Einstellung zu Liebe und Sexualität wachsen kann. „Sie leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Selbstbestimmung und Lebenskompetenz bei jungen Menschen zu entwickeln und der Gefahr körperlicher und seelischer Schädigung entgegenzuwirken“, betonte Ines Scheibe.

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