Säkularer Humanismus 2012

Neujahrsbotschaft von Helmut Fink, stellvertretender Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands.

Anfang 2013 werden wir das 20-jährige Bestehen des HVD feiern. Bis dahin liegt noch ein gutes Jahr vor uns, und „gut“ ist hier nicht bloß zeitlich gemeint: Noch nie waren die Randbedingungen für die Botschaft des säkularen Humanismus so günstig wie heute.

Immer mehr Menschen verlieren den Glauben an die Sinnplacebos der Religionen und verstehen sich als Selbstdenker. Immer mehr Menschen kehren den Großkirchen mit ihren großen Ansprüchen innerlich wie äußerlich den Rücken. Immer mehr Menschen sind bewusste Konstrukteure ihres eigenen Weltbildes, sind neugierig auf den Fortschritt der Wissenschaften und stellen sich zugleich den Herausforderungen einer zeitgemäßen Moralbegründung. Sie werden zu Trägern einer Wertedebatte ohne Scheuklappen.

Der Einfluss des HVD als Organisation bleibt dabei allzu oft sehr begrenzt. Woran liegt das? Liegt es eben daran, dass er eine Organisation ist, ein Verband, eine gremienbeladene Struktur, schwerfällig und beschlussfixiert? Liegt es am Paradoxon der organisierten Individualität, an der scheinbaren Unmöglichkeit, die Ideen der Vielen zu einer einzigen vernehmbare Stimme zu bündeln? Liegt es an Ermüdungserscheinungen in hauptamtlichen Apparaten, die im Laufe der Jahre aus idealistischen Revolutionären Vorkämpfer ihrer eigenen Altersversorgung machen?

Niemand wird daran gehindert, Bewegung in die Szenerie zu bringen. Der HVD ist eine Organisation im Aufbau, inhomogen in seinen Strukturen und heterogen in seinen Aktivitäten. Doch das kann keine Ausrede sein für Zögerlichkeiten und Taktierereien, sondern nur ein Ansporn für die selbstbewusste Entfaltung des jeweils eigenen Beitrags. Der säkulare Humanismus verträgt keinen Dienst nach Vorschrift.

Dafür sind weltanschauliche Fragen zu ernst. Und die Alternativen zu gefährlich. Vergessen wir nicht: In anderen Teilen der Welt sind Leben und Freiheit bedroht. Wir genießen Wohlstand und haben alle Freiheiten. Wer hier jammert, der tut es auf hohem Niveau. Niemand hindert uns, die Chancen der Gegenwart zu ergreifen – als Aufklärer, als Atheisten und Humanisten, als Sucher und Forscher, als Weltbürger und Menschenfreunde. Wer, wenn nicht wir? Wo, wenn nicht hier? Wann, wenn nicht jetzt?

Es geht dabei nicht um eine Organisation. Organisationen sind Mittel zum Zweck. Der Humanismus, das sind die Menschen. Doch manche Interessen lassen sich gemeinsam leichter verfolgen, manche Ziele nur mit Organisationen erreichen. Deshalb nutzen wir den Status einer „Weltanschauungsgemeinschaft“, auch wenn es freie Geister außerhalb des HVD gibt, die das nicht verstehen. Die Gemeinsamkeiten sind im weltlich-humanistischen Lager und im Verband allemal wichtiger als die Unterschiede.

Der HVD arbeitet weiter, in freundschaftlich-kritischer Arbeitsteilung mit anderen Organisationen. Wir haben noch viel vor. Dafür brauchen wir Haupt- und Ehrenamtliche, große und kleine Landesverbände, Trägerschaften sozialer Einrichtungen, Bildungsveranstaltungen, Akademien und Stiftungen. Die Erneuerung der Zeitschrift diesseits ist 2011 geglückt, eine aktuelle Online-Präsenz diesseits.de kam hinzu. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit konnte verbessert werden. Der Bundesverband wird 2012 das „Humanistische Selbstverständnis“ überarbeiten lassen – weitere Grundlagentexte können folgen. Ein Humanistentag im Juni ist in Vorbereitung.

So blicken wir mit Tatendrang und Vorfreude auf die Herausforderungen des kommenden Jahres. Als Humanistinnen und Humanisten wissen wir: Das Leben ist endlich. Nutzen wir seine Chancen, nutzen wir den Tag. Er kehrt nicht wieder. Auf ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2012!

Helmut Fink

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