„Die Menschen- und Bürgerrechte müssen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten“

HVD-Präsident Frieder Otto Wolf: Reform des geltenden Arbeitsrechts für Religionsgemeinschaften ist im Sinne aller Arbeitnehmer dringend geboten.

„Die traditionellen Privilegierungen für Religionsgemeinschaften im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht, die weit über einen legitimen Tendenzschutz hinausgehen, sind immer noch ein Skandal“, sagte Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), gestern zu einer am vergangenen Mittwoch gestarteten Kampagne gegen religiöse Diskriminierung im Berufsleben.

Die Kampagne wurde vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten sowie der Giordano-Bruno-Stiftung initiiert und zielt auf die Durchsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in sozialen Einrichtungen, die sich in Trägerschaft von Religionsgemeinschaften befinden. Sprecherin ist die frühere SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier.

Der Präsident des HVD sagte weiter: „Benachteiligungen für gläubige wie nichtgläubige Menschen im Beruf, wie sie auf Basis des geltenden Sonderrechts für Religionsgemeinschaften bislang möglich wurden, können aus humanistischer und säkularer Perspektive nicht befürwortet werden. Dass in unserem Land Ereignisse wie Wiederverheiratungen, Scheidungen oder etwa homosexuelle Partnerschaften zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können, ist ein unerhörter und eigentlich sogar bizarrer Missstand. Genauso wie die Tatsache des pauschalen Entzugs der Rechte auf Streiks oder zur Bildung von Betriebsräten.“

Wolf verwies dabei ebenfalls auf die breite gesellschaftliche Allianz, die sich deshalb bei den Gewerkschaften gebildet habe und welche zentrale Grundrechte für Hunderttausende Beschäftigte in Deutschland einfordert.[2] Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe schließlich mit guten Gründen sogar für die Angestellten in Sonderverhältnissen, den deutschen Beamten, das bis dato vorenthaltene Recht auf Streik als Menschenrecht erkannt, so Wolf.

An diesen Kurs sollten die Politik und die Legislative anknüpfen. „Die bisherigen Verlierer des geltenden Rechts sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht der besonderen Glaubenslehre etablierter Träger folgen, wie oft auch gläubige Beschäftigte selbst. Und eine starke Stellung großer konfessioneller Trägerverbände unterstützt diese Zustände.“

Eine öffentliche Grundsatzdebatte sei daher überfällig und zur Gewährleistung der Menschen- und Bürgerrechte wäre ein grundlegender Wandel „dringend geboten“, meinte Wolf.

„Menschen- und Bürgerrechte müssen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Spezielle Schlussfolgerungen aus einzelnen Theologien oder religiösen Rechtslehren können nicht umfassende Maßstäbe für die Lebensweise aller Beschäftigten von Betrieben abgeben, die im Rahmen der freien Trägerschaft von und für die Allgemeinheit finanziert werden. Umfassende Beschränkungen von Stellenangeboten in den Einrichtungen auf Bewerberinnen und Bewerber aus einer Konfession sind nicht zu begründen und illegitim. Den legitimen Bedürfnissen kirchlicher Träger nach einem Tendenzschutz in tatsächlich verkündigungsnahen Bereichen kann durchaus auch ohne derartige Privilegierungen entsprochen werden.“

Inhalt teilen

Unsere letzten Pressemitteilungen

Humanistischer Verband Deutschlands hält Reform des Schwangerschaftsabbruchs für breit konsensfähig

In Deutschland werden innerhalb der Dreimonatsfrist jährlich ca. 96.000 Schwangerschaftsabbrüche straffrei vorgenommen. Dabei gilt nach Gesetz ab Einnistung der befruchteten Eizelle in den Uterus, dass diese bereits Würde- und Lebensschutz haben soll. Deswegen soll die Abtreibung gemäß Paragraf 218 StGB rechts- und sittenwidrig sein. Diese Widersprüchlichkeit in den Paragrafen 218 ff. StGB und die anachronistische Stigmatisierung von unerwünscht schwangeren Frauen sollen nunmehr gemäß einer aktuellen Kommissionsempfehlung moderat reformiert werden. Die Schritte dazu dürften auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens treffen – wobei der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) sich noch weitergehende Vorschläge wünscht.

Weiterlesen »
Nach oben scrollen