Eckpunktepapier nicht zur Entschärfung der Debatte geeignet

HVD-Präsident Frieder Otto Wolf: Pläne des Bundesjustizministeriums bedeuten Rückschritt.

Der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, hat am Donnerstag in Berlin die klare Ablehnung von Humanistinnen und Humanisten gegenüber einem Rückbau des säkularen Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland bekräftigt. „Die vom Bundesjustizministerium am Dienstag vorgelegten Eckpunkte und Regelungstexte entsprechen nicht der Forderung nach dem sorgfältigen und ergebnisoffenen Diskursprozess, der für diese Kontroverse und die Grundsatzfragen über die Rechte von Kindern angemessen wäre“, sagte Wolf.

Das Bundesministerium der Justiz hatte am Dienstag ein Eckpunktepapier und einen Entwurf von Regelungstexten an die beteiligten Organisationen in Deutschland verschickt. Die Beschneidung soll nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden und auch von einer Beschneidung durch einen Arzt vergleichbar befähigten Person, die dafür von einer Religionsgemeinschaft vorgesehen ist, vollzogen werden dürfen.

Geplant ist im letzteren Fall, die Beschneidung von Jungen bis zu einem Alter von sechs Monaten straffrei zu stellen, sofern ihre Eltern das wollen. Nach einem Alter von sechs Monaten soll die Beschneidung nur noch durch Ärzte ausgeführt werden dürfen. Am Freitag wird das Bundesjustizministerium eine Anhörung zu den Eckpunkten durchführen.

„Selbst wenn das geplante Gesetz einige Fortschritte im Detail mit sich bringen könnte, bedeutet die jetzt absehbare Regelung als Ganzes einen Rückschritt im Verhältnis des weltanschaulich neutralen Staates gegenüber den zu ihm gehörenden Gemeinschaften“, so Wolf weiter zum Eckpunktepapier.

Er rief humanistisch und säkular denkende Menschen daher dazu auf,  sich gegen den mit der Kontroverse um die Jungenbeschneidung angestoßenen Gesetzgebungsprozess einzusetzen. „Diese vorschnelle Regelung ist aus meiner Sicht weder dafür geeignet, die gesellschaftliche Debatte um die Jungenbeschneidung zu entschärfen noch dafür, die Rechte von Kindern und Eltern grundsätzlich in einen adäquaten Ausgleich zu bringen.“

Wolf plädierte auch dafür, in der Debatte weiter die sorgfältige und sachliche Aufklärung zu stärken. „Der Streit bietet keinerlei Platz für die Formen von Polemik, wie sie in der vergangenen Monaten wahrzunehmen gewesen waren.“

Er erinnerte außerdem erneut daran, dass die Kontroverse zu keinem Sprungbrett für einen neuen Antisemitismus oder Rassismus in Deutschland werden dürfe. „Wir müssen weiterhin entsprechende Sorgen in den jüdischen und muslimischen Gemeinden ernst nehmen. Wir müssen uns für eine sachliche und redliche Diskussion einsetzen.“

Zugleich wies Wolf die von Anhängern der Religion und in den Medien verschiedentlich geäußerten Vorwürfe entschieden zurück, die den Kritikern der Beschneidung von Jungen pauschal antisemitische Haltungen oder gegenüber dem Judentum und der islamischen Religion grundsätzlich intolerante Haltungen zu unterstellen suchten.

„Unsere Mitglieder sind sich der Bedeutung der Geschichte unseres Landes sehr bewusst. Die Tradition unseres Verbandes hat durch die Nazi-Diktatur ebenfalls massive Abbrüche erlitten, von denen sich der organisierte praktische Humanismus bis heute nicht erholt hat. Es ist also historisch unaufgeklärt, wenn in diesem Streit die Geschichte dieses Landes gegen das Verlangen nach einem offenen und grundsätzlichen Diskurs über die Rechte von Kindern oder das Verhältnis von Tradition und Rechtsstaat ausgespielt wird.“

Weiterführende Informationen

1. Pressemitteilung des Bundesverbandes vom 28. Juni 2012: HVD begrüßt neue Debatte über grundsätzliche Fragen
2. Pressemitteilung des Bundesverbandes vom 18. Juli 2012: „Chancen zur redlichen Diskussion schaffen“
3. Meldung des Bundesverbandes zur Bundestagspetition: HVD unterstützt Moratorium in der Diskussion um Beschneidungen

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