Das eigene Glück nicht durch das Elend Anderer erkaufen

Zeit der Lichtfeste würdig begehen: Frieder Otto Wolf rief Humanistinnen und Humanisten dazu auf, sich dem rabiaten Konsumismus bewusst zu entziehen.

An die Bedeutung der Autonomie des Individuums für die Gestaltung von humanistischen Gesellschaften und an die zerstörerischen Auswirkungen des herrschenden Konsumismus hat heute Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, in Berlin erinnert.

Wolf rief dazu auf, die kommende Zeit der winterlichen Lichtfeste in einer würdigen Weise zu begehen. Niemand sei mehr Sklave als der, der sich für frei halte, ohne es zu sein, erinnerte Wolf mit einem Verweis auf den rabiaten Konsumismus, von dem in den westlichen Gesellschaften bis heute vor allem die Weihnachtszeit bestimmt werde.

Wolf: „Eine echte Emanzipation des menschlichen Individuums setzt immer voraus, frei von fremdbestimmten Abhängigkeiten zu sein. Der aus unserer humanistischen Sicht wichtige Zustand der individuellen Autonomie spiegelt sich aber nicht in erster Linie darin wider, dass ein Bedürfnis aus eigener Macht erfüllt werden kann – etwa indem jemand einfach mit eigenem oder auf die eigene Person geliehenem Geld als Käufer und Konsument auftritt.“

Wirkliche Autonomie verlange vielmehr, dass echte eigene Bedürfnisse von fremdgemachten Wünschen unterschieden werden können. Denn durch die weitverbreitete und akzeptierte Teilnahme am Konsumismus verwirkliche sich nicht nur individuelle Freiheit: Oft werde damit auch eine neue fremdbestimmte Abhängigkeit geschaffen. Begehren auf Konsum werde durch hochentwickelte Techniken in Menschen stetig erregt, bis sie schließlich die immer wieder neu entstandenen Wünsche nur noch durch Verschuldungen realisieren können.

Frieder Otto Wolf plädierte deshalb für eine kritische Bestandsaufnahme aller Wege zur Gestaltung der Feste: Traditionelle Angebote festlicher Formen könnten hier genutzt werden, während sie zugleich ganz bewusst von unvertretbaren Gewohnheiten und leidschaffenden Bräuchen befreit werden.

Humanistinnen und Humanisten rief Wolf somit dazu auf, in der Zeit der Lichtfeste die eigenen Bedürfnisse und Wünsche neu zu reflektieren, für sich und in Gemeinschaft. Das helfe dem Ziel, sich dem Druck des rabiaten Konsumismus zu entziehen. Zwar sei dieser heute vorherrschend und fast omnipräsent. Die dabei versprochenen Momente von Freiheit, Glück und Zufriedenheit seien aber auch für diejenigen, die sie sich bislang leisten können, keineswegs nachhaltig und in Wahrheit oft zum Preis des großen Elends Anderer erkauft.

„Wir dürfen nicht verdrängen, mit welchen Konsequenzen viele der Gewohnheiten, die den Konsumismus prägen, tatsächlich verbunden sind“, erinnerte Wolf. Es sei da notwendig, sich nicht nur von dem überlieferten Glauben an ökonomisches Wachstum ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Grenzen als Grundlage wirklichen Wohlstands zu verabschieden, sondern sich auch von denjenigen Formen dieses Glaubens zu befreien, die das moralisch und ökologisch einwandfreie Produkt als leicht erhältliches und „billiges“ Gut erwarten lassen.

Denn in der weltweiten Betrachtung führe der rabiate Konsumismus zu großem Leid für Menschen und Tiere, „ob durch die Massentierhaltung oder die Massenfertigung, welche Milliarden Menschen nicht nur in einen oft erniedrigenden Wettbewerb miteinander, sondern zugleich in den zutiefst sinnwidrigen Wettbewerb mit der Entwicklung maschineller Fertigungstechnologien zwingt.“

Was in den dunklen Epochen der europäischen Geschichte der Neuzeit geschehen sei, so Wolf, wiederhole sich heute auf der ganzen Welt. Auch im eigenen Lande wachse die Zahl derjenigen, die „im Dunkeln“ stehen: „Das dürfte in unserem Nachdenken zu keiner Zeit ausgeblendet werden.

Gerade die Zeit der Lichtfeste bietet also Gelegenheiten zu einem gemeinsamen Erinnern und Nachdenken darüber, welche Dinge wirklich wichtig und welche Bedürfnisse sinnvoll und nachhaltig erfüllbar seien: „Humanistinnen und Humanisten müssen sich auch mit Blick auf die gegenwärtigen und kommenden Krisen noch mehr als zuvor die Frage stellen, ob das, was sie zu wollen glauben, auch das ist, was sie tatsächlich brauchen, um – nicht nur für sich selber – Zufriedenheit und Glück zu erreichen“, sagte Wolf dazu.

Diese Art von Nachdenklichkeit sei für Menschen, die unter als prekär zu kennzeichnenden Situationen leiden, ebenso sinnvoll, um selbstbewusst und handlungsfähig zu werden, wie auch für diejenigen Menschen, die bisher noch nicht selber in krisenhaften Verhältnissen leben. Das große Ziel müsse sein, dass die heute wieder dringend benötigten Formen von Solidarität erneut entwickelt werden können.

„Und leider verdächtigen die, welche in der Öffentlichkeit als der Armut schuldig gelten, immer noch zu oft sich selbst. Das muss öffentlich widerlegt werden, damit auch in diesen dunklen Wochen die Herzen der vielen Menschen erhellt werden können, die unter der Erfolglosigkeit redlichen Strebens leiden – und sich fälschlich selbst eine Schuld daran zuweisen.“

Schließlich betonte Frieder Otto Wolf, dass in Anbetracht der Wirklichkeit die Zeit der Lichtfeste für alle humanistisch denkenden Menschen die wertvolle Gelegenheit bietet, um persönliche Nachdenklichkeit mit würdiger Festlichkeit im Kreise ihrer Lieben zu verbinden.

„Überall, wo es uns gelingt, die uralte und wertvolle Tradition der Lichtfeste im Winter, die sich die großen Religionen angeeignet haben, mit einer gemeinsamen Vergewisserung darüber zu verbinden, was hier und heute zu tun ist, werden wir diese Zeit der Besinnung nutzen können, gemeinsam zu feiern und zugleich unsere Fähigkeit zur persönlichen Achtsamkeit und Solidarität mit den Menschen zu entwickeln“.

Damit könne auch die für eine gute humanistische Praxis zentrale Einsicht bestärkt und verbreitet werden, so Wolf mit einem Verweis auf Ausführungen des britischen Philosophen Anthony Grayling zu den herrschenden Ökonomien, dass all die Dinge, die es wert sind, sie im Leben zu besitzen, wie Achtsamkeit, Weisheit und menschliche Zuneigung, in keinem Kaufhaus der Welt im Angebot sind.

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