Reichskonkordat: Konfessionsfreie fordern Ende überholter Verträge

HVD zum 80. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatskirchenvertrags zwischen NS-Regime und katholischer Kirche: Ein zeitgemäßes Religions-verfassungsrecht ist überfällig.

Die katholische Kirche in Deutschland beruft sich bis heute auf vertragliche Vereinbarungen, die mit einer nationalsozialistischen Regierung ausgehandelt wurden. Darauf weist der Humanistische Verband Deutschlands anlässlich des 80. Jahrestages der Unterzeichnung des Staatskirchenvertrages hin, welcher die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler und der Kirche regelte.

Am 20. Juli 1933 unterzeichneten Franz von Papen als Vizekanzler des Kabinetts unter Adolf Hitler und Eugenio Pacelli, Kardinalstaatssekretär des Vatikans und späterer Papst Pius XII., in Rom den Vertrag, in dem unter anderem ein besonderer gesetzlicher Schutz für Gedenk- und Feiertage der Kirchenangehörigen, der Einzug von Mitgliedsbeiträgen mit staatlicher Hilfe und die Finanzierung der Militärseelsorge zugesichert wurden.

Der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, erneuerte am Donnerstag in Berlin mit Blick auf den Jahrestag gegenüber den politischen Parteien die Forderung, eine Ablösung des veralteten Staatskirchenrechts als Aufgabe anzunehmen und überholte Regelungen abzuschaffen.

„Beim Reichskonkordat handelt es sich nicht nur um Vereinbarungen, die aus den Übereinkünften zwischen dem deutschen NS-Regime und einer Religionsgemeinschaft, deren Oberhaupt auch ein absoluter Monarch ist, herrühren“, so Wolf dazu.

Die Regelungen privilegieren die Kirche gegenüber den konfessionsfreien Menschen. Sie enthalten zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus geschaffene Zugeständnisse, welche Vorgaben des Grundgesetzes zur Entflechtung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche unterlaufen, wie die aus der Weimarer Verfassung übernommene und fast 100 Jahre alte Forderung nach einer Ablösung von historischen Staatsleistungen.

Wolf erinnerte ferner, dass es zur Zeit der Unterzeichnung des Konkordats nicht den weltanschaulichen und religiösen Pluralismus von heute gegeben hat. „Mittlerweile bilden die konfessionsfreien Menschen in der Bundesrepublik Deutschland die größte gesellschaftliche Gruppe im Verhältnis zu den einzelnen Konfessionsgemeinschaften. Ihren Interessen kann das durch derartige Konkordate entstandene System nicht gerecht werden.“

Ein zeitgemäßes und für alle Menschen nachvollziehbares religions- bzw. weltanschauungsbezogenes Verfassungsrecht sei überfällig, um den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen, betonte Frieder Otto Wolf. Für den weltanschaulich neutralen Verfassungsstaat könne auch obsoletes Recht eine Belastung darstellen, wenn es eine Anpassung an neue gesellschaftliche Verhältnisse erschwert.

Einen wichtigen Schritt bilde daher die Ablösung von Verträgen, die mit der Hitler-Diktatur geschlossen wurden. Eine grundlegende Erneuerung sei hier geboten und dürfe von der Politik nicht länger aufgeschoben werden.

Wolf: „Aus der Sicht der wachsenden Gruppe konfessionsfreier Menschen gibt es da einen dringenden Handlungsbedarf. Und auch moderne und demokratisch orientierte Katholikinnen und Katholiken sollten schließlich ein Gewinn darin sehen können, wenn sich die Kirche nur auf solche Regelungen beruft, die im Rahmen und unter den Bedingungen des freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates entstanden sind.“

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