ZDF-Staatsvertrag muss weltanschauliche Pluralität widerspiegeln

Nichtreligiöse Menschen sind deutlich benachteiligt: Humanisten fordern nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die erkennbare Einbeziehung von Konfessionsfreien.

„Wir begrüßen das Urteil aus Karlsruhe sehr“, sagte der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den ZDF-Staatsvertrag (ZDF-StV) am Dienstag. „Wir erwarten nun von den Vertretern der Länder, dass sich im Neuentwurf des ZDF-Staatsvertrages auch die weltanschauliche Pluralität in Deutschland angemessen widerspiegeln wird. Aus unserer Sicht ist jeder Rundfunkstaatsvertrag verfassungswidrig, der die von unserem Grundgesetz vorgeschriebene Gleichbehandlung von Religionen und Weltanschauungen nicht umsetzt.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag entschieden, dass der ZDF-StV nicht ausreichend dem durch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit geforderten Grundsatz der Vielfaltsicherung und der konsequenten Begrenzung des Anteils staatlicher und staatsnaher Mitglieder in den Aufsichtsratsgremien genügt. Nun sind die Länder verpflichtet, bis zum 30. Juni 2015 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Dafür muss unter anderem der Anteil von staatlichen und staatsnahen Personen im ZDF-Fernsehrat auf ein Drittel gesenkt werden. Regierungsmitglieder und hochrangige Vertreter der Exekutive dürfen „keinen bestimmenden Einfluss haben“, damit die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig Ausdruck findet. „Die Zusammensetzung der Kollegialorgane muss darauf ausgerichtet sein, Personen mit möglichst vielfältigen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens zusammenzuführen“, erklärte der Senat in der Urteilsbegründung. Weiter heißt es: „Neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden  müssen untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen, die nicht ohne weiteres Medienzugang haben, und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.“

Frieder Otto Wolf sagte dazu, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts die vom Grundgesetz in Artikel 140 i.V.m. 137 WRV Abs. 7 vorgeschriebene Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften unterstützen. „Die Tatsache, dass neben den Angehörigen der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde in Deutschland auch andere religiöse, sowie auch nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften, in der Gesellschaft vorhanden sind, muss auch in Rundfunkstaatsverträgen berücksichtigt werden. Die heutige weltanschauliche Pluralität wird von den bestehenden Regelungen für den öffentlichen Rundfunk, nicht nur im Fall des ZDF-Staatsvertrages, nicht ausreichend geachtet. Nichtreligiöse Menschen sind deutlich benachteiligt, der gewachsene Anteil von Konfessionsfreien und Andersgläubigen wird derzeit stark vernachlässigt.“

Der jetzige ZDF-StV sieht vor, dass der 77-köpfige Fernsehrat aus jeweils zwei Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Katholischen Kirche sowie einem vom Zentralrat der Juden in Deutschland entsandten Vertreter besteht, außerdem soll in den ZDF-Fernsehrat je ein Vertreter der kirchlichen Wohlfahrtsverbände berufen werden.

Vergleichbare Defizite gibt es im SWR-Staatsvertrag, der in den entsprechenden Abschnitten lediglich „Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften“ berücksichtigt, obwohl auch die jeweiligen Landesverfassungen eine Gleichbehandlung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorschreiben.

„An den nun getroffenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts müssen sich alle Regelungen orientieren, die die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmen“, betonte Frieder Otto Wolf deshalb. Er verwies dabei auf eine Ende Februar vom Europäischen Parlament verabschiedete Resolution zur „Situation der Grundrechte in der Europäischen Union“ (2013/2078(INI)), die die Mitgliedsstaaten zur Verwirklichung der konsequenten Gleichbehandlung von religiösen und nichtreligiösen Menschen auffordert. „Der Abbau von Benachteiligungen gegenüber den Menschen ohne religiösem Bekenntnis in Deutschland ist auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dringend nötig, damit der vorhandenen Pluralität endlich Rechnung getragen wird.“

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