RTL2-Titel für nichtreligiöse Menschen inakzeptabel

Sender plant Serienstart von „Gottlos – Warum Menschen töten“.

Zum Winter 2015 hat der Privatsender RTL2 die Ausstrahlung einer dreiteiligen Drama-Serie mit dem Titel „Gottlos – Warum Menschen töten“ angekündigt. Die Serie wurde gestern beim 22. Filmfest Oldenburg vorgestellt. In einem Schreiben an den Geschäftsführer des Senders, Andreas Bartl, hat der Humanistische Verband Deutschlands am Mittwoch den Sender dazu aufgefordert, den Titel der Serie unverzüglich zu ändern bzw. die Ausstrahlung unter diesem Titel zu unterlassen.

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6. Oktober 2015 | 16. Oktober 2015 | 22. Oktober 2015

Bundesverbandspräsident Frieder Otto Wolf verwies zur Begründung darauf, dass der Titel der Serie einen Begriff einer weltanschaulichen Haltung in pauschaler Form mit einem Motiv für die Tötung von Menschen verbindet. „Wie Ihnen gewiss geläufig ist, ist das Adjektiv ‚gottlos‘ eine Wortschöpfung, mit der nichtreligiöse Menschen bezeichnet werden“, so Wolf. Zudem lehnten nichtreligiöse Menschen dieses Adjektiv grundsätzlich ab, da die Endung „-los“ impliziert, nichtreligiösen und nichtgläubigen Menschen würde etwas fehlen.

„Rund 25 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gehören heute keiner Konfession an. Die große Mehrheit von ihnen ist nichtreligiös, d.h. ‚gottlos‘ im Sinne der üblichen Bedeutung dieses Adjektivs“, so Frieder Otto Wolf weiter. „Aber auch unabhängig von der großen Zahl nichtreligiöser Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und – damit vermutlich ebenfalls innerhalb des Publikums Ihres Senders – ist die im Seriennamen enthaltene pauschale und suggestive Verknüpfung einer nichtreligiösen Lebensauffassung mit der Tötung von Menschen inakzeptabel.“

„Um Ihnen dies ganz klar zu verdeutlichen, bitte ich Sie, sich den Serientitel unter Ersetzung des Adjektivs ‚gottlos‘ mit Begriffen wie ‚gläubig‘, ‚christlich‘, ‚jüdisch‘, ‚alevitisch‘ oder – um ein nicht-weltanschauliches Beispiel zu nennen – ‚homosexuell‘ vorzustellen. Ich nehme an, dies sollte in ausreichender Weise verdeutlichen, warum der Serientitel in keiner Weise vertretbar ist.“

Der Humanistische Verband kündigte an, gegebenenfalls die Bayerische Landeszentrale für neue Medien als Aufsichtsbehörde des im bayerischen Grünwald ansässigen Senders einzubeziehen bzw. juristisch gegen eine Weigerung des Senders vorzugehen.

Nachtrag vom 6. Oktober 2015

Mit einem Schreiben vom 30. September 2015 hat der Leiter der Programmkommunikation der RTL 2 Fernsehen GmbH & Co. KG auf die Aufforderung des Humanistischen Verbandes geantwortet. In der Stellungnahme teilte RTL II mit, dass man es bedaure, wenn sich Menschen durch den beanstandeten Serien-Titel „GOTTLOS – Warum Menschen töten“ angegriffen fühlen. Dies sei keine Absicht gewesen. Zugleich wies der Sender „entschieden“ den Vorwurf zurück, nichtreligiöse Lebensauffassungen mit der Tötung von Menschen zu verknüpfen oder nichtreligiöse Lebensauffassungen zu pauschalisieren oder zu verurteilen.

Weiter hieß es, der RTL-II-Adaption des niederländischen Formats „The Godless“ läge eine „gebräuchliche, umgangssprachliche Definition von ‚verwerflich‘ für ‚gottlos‘ zugrunde, wie sie auch im Duden Verwendung findet.“

Auf diese Stellungnahme hat der Präsident des Humanistischen Verbandes am 6. Oktober 2015 mit einem zweiten Schreiben geantwortet. Frieder Otto Wolf erklärte darin, sich den Argumenten von RTL II nicht anschließen zu können. „Stattdessen stellt sich für uns derzeit sehr klar das Problem, dass die Wahl des von uns beanstandeten RTL-II-Serientitels eben genau dies tut: nichtreligiöse Lebensauffassungen pauschalisiert zu behandeln und –  in diesem Fall –  auf unvertretbare Weise und zutiefst negativ zu konnotieren bzw. gleichzusetzen“, so Wolf.

Um die Erläuterungen aus seinem ersten Schreiben zur vorliegenden Problematik zu vertiefen und die Chance auf ein Umdenken seitens des Senders zu fördern, erklärte er mittels weiterer Ausführungen, warum der Serientitel aus Perspektive nichtreligiöser Menschen inakzeptabel ist. Unter anderem hieß es hier, dass die Ergänzung des Wortes „gottlos“ im deutschen Serientitel um den Zusatz „Warum Menschen töten“  die Wirkung im Vergleich zum Titel des niederländischen Originals verschärft. „Dass der erste Teil des Serientitels in der RTL-II-Eigenschreibweise aus Großbuchstaben besteht, unterstreicht die unserer Ansicht nach bewusst intendierte Wirkung, die dieser Serientitel auf das Publikum ausüben soll“, so Wolf dazu.

Schließlich biete auch der Verweis auf den Eintrag des Online-Wörterbuchs von Duden.de keine tragfähigen Argumente, da „gottlos“ eben nicht als ein Synonym zu „verwerflich“ gesehen werden kann. Sollte der Serientitel in „Verwerflich – Warum Menschen töten“ geändert werden, sei jedoch das vorliegende Problem aus Sicht des Humanistischen Verbandes erledigt. RTL II wurde nun um eine abschließende Stellungnahme bis zum 16. Oktober 2015 gebeten.

Mit einem Schreiben vom gleichen Tage hat sich der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands an die Bibliographisches Institut GmbH (Dudenverlag) gewandt und um eine Revision des Eintrages zum Begriff „gottlos“ auf Duden.de gebeten. Dort wird der Begriff im Unterschied zu vorliegenden Print-Ausgaben des Wörterbuches mit zahlreichen negativen und unzutreffenden Begriffen beschrieben bzw.  als Synonym mit diesen gleichgesetzt.

Frieder Otto Wolf erklärte in seinem Schreiben unter anderem: „Wohl wissend um die Entstehungsgeschichte des Begriffs ‚gottlos‘, dessen (umgangssprachlicher) Gebrauch auch heutzutage noch in einigen Teilen des deutschsprachigen Raumes zu beobachten ist, halten wir die auf Duden.de derzeit vorzufindende Beschreibung für teilweise nicht mehr zeitgemäß und dringend erneuerungsbedürftig.“ Diese sei aus heutiger Sicht als veraltet, unangemessen und fehlerhaft zu betrachten, da Beschreibungen dieses Begriffs mit Adjektiven wie „verwerflich“, „frevelhaft“, „heillos“, „pietätlos“, „rotzfrech“, „schmutzig“ unzutreffend sind und diffamierend wirken. Zu dieser Beurteilung würden heute nicht mehr lediglich nichtreligiöse Menschen kommen, sondern auch informierte Angehörige der christlichen Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften.

Um die Argumente für die erforderliche Revision zu illustrieren, bat Wolf die Verlagsleitung, „sich eine Situation vorzustellen, in denen etwa der Eintrag zum Begriff ‚gläubig‘ mit Begriffen wie ‚irrational“, „wahnsinnig‘, ‚unwissend‘, ‚wissenschaftsfeindlich‘ oder ‚fanatisch‘ beschrieben werden würde.

Trotz des historisch gewachsenen Gebrauchs sei somit eine Revision des Eintrages auf Duden.de unbedingt erforderlich. Abschließend erklärte Wolf, damit könnte der Verlag auch einen Beitrag dazu leisten, dass Missverständnisse und unnötige Konflikte durch ein unzureichendes sprachliches Bewusstsein vermieden werden und so „zu einem friedlichen und toleranten Miteinander in der Gesellschaft beitragen.“

Nachtrag vom 16. Oktober 2015

Auf ein entsprechendes Schreiben des Bundesverbandspräsidenten Frieder Otto Wolf hat am vergangenen Dienstag die Bibliographisches Institut GmbH (Dudenverlag) geantwortet. In der Antwort hat die Redaktion des Dudenverlages ihren Dank für den Hinweis zum Überarbeitungsbedarf des Eintrages zum Begriff „gottlos“ ausgedrückt. Mitgeteilt wurde außerdem, dass nun zunächst die Reihenfolge der Lesarten im Duden-Universalwörterbuch und auf Duden.de geändert wurde. Diese Änderung werde sich aus technischen Gründen aber erst während der nächsten Wochen zeigen. Der Dudenverlag teilte ferner mit, dass die Redaktion bzgl. der auf Duden.de als Synonyme angeführten Adjektive ebenfalls noch keine befriedigende Lösung habe entwickeln können. Dies sei ebenfalls technisch bedingt. „Wir arbeiten daran, hier schnell eine befriedigende Lösung zu finden“, heißt es dazu in der Antwort des Dudenverlages.

Frieder Otto Wolf begrüßte die in der Stellungnahme des Dudenverlages angekündigte Änderung der Lesarten des Begriffs „gottlos“ im Print- und Online-Wörterbuch am Freitag als einen ersten wichtigen Schritt. Weiterhin hieß es, seitens des Humanistischen Verbandes lege man großen Wert darauf, dass es hier zu insgesamt zufriedenstellenden Veränderungen kommt. „Dies ist nicht zuletzt auch deshalb der Fall, da wir im Bildungsbereich eine Vielzahl von wachsenden Projekten besitzen (wie in Berlin und Brandenburg u.a. das Schulfach Humanistische Lebenskunde), in denen der Duden täglich als Standard-Nachschlagewerk gebraucht wird.“

Wolf formulierte nun konkretere Erwartungen an die weiterhin erforderliche Revision zum Begriff „gottlos“, damit vom Duden in Zukunft „die heutige Situation des Sprachgebrauchs der großen Mehrheit der deutsch sprechenden Menschen akkurat abgebildet wird.“ Unter anderem schlug er in seiner Antwort auf die Stellungnahme des Dudenverlags vor, unzutreffende und zusätzlich abwertende Adjektive um im Duden gebräuchliche Zusätze wie „veraltend abwertend“ oder „derb abwertend“ zu ergänzen, um diese als Hilfe zur Begriffsbeschreibung in ausreichendem Umfang einzuordnen. Bei anderen Einträgen wie etwa zum Begriff „ungläubig“ gäbe es bereits ausreichend objektive Beschreibungen, daher formulierte er „sowohl die Hoffnung wie auch die Erwartung, dass eine weitere Revision des Begriffs ‚gottlos‘ diesen guten Beispielen folgen kann.“

Nachtrag vom 22. Oktober 2015

Nachdem der Sender RTL II die Frist zur Stellungnahme am vergangenen Freitag ohne die erbetene Reaktion verstreichen ließ, hat der Präsident des Humanistischen Verbandes am Donnerstag den Präsidenten, die Geschäftsführung sowie die 48 Mitglieder des Medienrates der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) über den Sachverhalt und die damit verbundenen Probleme informiert. Frieder Otto Wolf rief die Vertreter der BLM und des Medienrats „dringend“ dazu auf, auf eine Änderung des Serientitels bzw. die Unterlassung der Ausstrahlung unter diesem Serientitel hinzuwirken. Darüber hinaus prüft der Humanistische Verband derzeit die Möglichkeiten, auch auf juristischem Wege gegen den Sendestart mit dem Titel „GOTTLOS – Warum Menschen töten“ vorzugehen und eine Unterlassung zu erreichen.

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Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland

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