Selbstbestimmung bis zum Lebensende ist ein Menschenrecht

Sterbehilfe-Debatte: Humanistischer Verband fordert Bundestagsabgeordnete auf, alle bislang vorgelegten Suizidhilfe-Gesetzentwürfe abzulehnen.

„Keiner der vier in die Sterbehilfe-Debatte bislang eingebrachten Gesetzentwürfe bietet aus unserer Sicht eine akzeptable und überzeugende Regelung.“ Das hat Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) und Sprecher zum Themenbereich Autonomie am Lebensende, heute in Berlin zu der für kommenden Freitag anstehenden Lesung zur Regelung von Suizidbeihilfe im Deutschen Bundestag gesagt. Kress betonte dabei, dass die Anträge aller Parlamentariergruppen zu einer Verschlechterung der bisherigen Rechtslage führen werden. Er appellierte an die Abgeordneten, für keinen der vorgelegten Entwürfe zu stimmen. „Beugen Sie sich nicht dem Druck eines einmal in Gang gesetzten, vermeintlich unabdingbaren, Gesetzgebungsverfahrens! Im Interesse von uns allen sollte die bestehende Rechtslage zur Sterbehilfe erhalten und keinesfalls verschärft werden“, so Kress.

Zuvor hatten sich ebenfalls zahlreiche Vertreter der Ärzteschaft sowie 140 Strafrechtshochschullehrer gegen ein Gesetz zur verschärften Regelung von Suizidbeihilfe ausgesprochen, ebenso wie die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen. Diese sagte dem Nachrichtenmagazin „Focus“ vom Samstag, es existieren „in unserer Gesellschaft keine gravierenden Missstände, dass ein Gesetz notwendig wäre“ und es gebe „keinen dringenden Gesetzesbedarf.“ Woopen sprach sich dafür aus, stattdessen ein Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden zu beschließen.

HVD-Vizepräsident Erwin Kress sagte weiter, dass außerhalb der Abgeordnetenkreise auf Bundesebene eine deutliche gesellschaftliche Mehrheit weder Verbote von Suizidhilfe noch deren gesetzliche Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen wie Mediziner will. „Dies zeigen uns die repräsentativen Umfragen, dies zeigen uns die Stellungnahmen von juristischen und medizinischen Expertengruppen und dies zeigen die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in den letzten Tagen mit eindringlichen schriftlichen Appellen an die Abgeordneten gewandt haben. Mitglieder eines demokratischen Parlaments sollten sich in der Pflicht sehen, diese Voten wirklich ernst zu nehmen“, so Kress. Er begrüßte daher die Ankündigung von Vertretern der zwei Gruppenanträge um die Abgeordneten Renate Künast (Bündnis 90/Die Grüne) und Petra Sitte (DIE LINKE) sowie um Peter Hintze (CDU) und Carola Reimann (SPD), im Falle fehlender Mehrheiten für den eigenen Entwurf gegen jede weitere Regelung zu stimmen.

Deutliche Kritik äußerte er hingegen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Diese hatten sich zuvor offiziell hinter den Entwurf der Abgeordnetengruppe um Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU) gestellt, der „geschäftsmäßige“, d.h. wiederholte, und „organisierte“ Suizidbeihilfe kriminalisieren will. „Bei einer Gewissensentscheidung, wie sie in dieser Debatte auf der Tagesordnung stehen sollte, hätte es den Spitzenvertretern der zwei größten Fraktionen im Bundestag besser gestanden, keinen Druck auf die Abgeordneten ihrer Fraktionen durch eine eigene Positionierung im Vorfeld der Abstimmung auszuüben“, so Erwin Kress.

„Selbstbestimmung ist ein Grund- und Menschenrecht, bis zum Lebensende“, unterstrich Kress abschließend. „Ich appelliere deshalb an alle Bundestagsabgeordneten, die die Wünsche der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen sind oder sich sogar unsicher fühlen: Stimmen Sie am 6. November 2015 viermal mit Nein!“

Zum Thema

Appell 2015: Das auf Initiative des Humanistischen Verbandes im März 2014 entstandene Bündnis für Selbstbestimmung bis zum Lebensende hat vor kurzem einen Aufruf an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages anlässlich der Abstimmung über die Gesetzentwürfe zur Kriminalisierung von Suizidbeihilfe/Sterbehilfe veröffentlicht. Dieser kann von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für den Erhalt der bestehenden Straffreiheit von Suizidhilfe einsetzen wollen, in ihrem eigenen Namen einfach und unkompliziert direkt an die mehr als 600 Mitglieder des Bundestages versendet werden.

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