„Für soziale Verantwortung benötigen wir keine höhere Instanz“

Grußworte zum internationalen Feiertag am 21. Juni 2017

Schon seit Jahrtausenden nutzen viele Kulturen auf der Welt das astronomische Ereignis der Sonnenwenden, um Feste zu feiern. Auch eine wachsende Zahl konfessionsfreier Menschen nimmt seit einigen Jahrzehnten die Sommersonnenwende zum Anlass, am „längsten Tag des Jahres“ den Dialog über ihre Überzeugungen und Erfahrungen zu erneuern und sich bei gemeinsamen Feiern zu begegnen und wiederzusehen. Anlässlich des World Humanist Day 2017 grüßen drei Vertreterinnen humanistischer Organisationen ihre Freundinnen und Freunde in Deutschland und der Welt.

Marieke Prien, Vorsitzende der International Humanist and Ethical Youth Union: Der Welthumanistentag – ein Tag, an dem wir Humanist*innen weltweit uns und unsere Projekte vorstellen möchten. Wir möchten damit auch zeigen, was unsere Werte sind. Die Liebe zu unseren Mitmenschen, aber auch das Hinterfragen von Strukturen und der Kampf für Freiheit und Gleichheit. Dass wir einander achten und füreinander eintreten. Und dass wir für diese Dinge keinen übernatürlichen Glauben brauchen, sondern sie aus uns selbst heraus als richtig und gut erkennen.

Dadurch können wir unsere positiven Botschaften vermitteln, unser Humanismus-Verständnis erklären und vorleben — und hoffentlich auch Vorurteile abbauen, die es gegenüber den meist nicht-religiösen Humanist*innen gibt.

Es geht auch darum, Mut zu machen. Mut, den man schnell verliert, wenn man einen Blick in die Zeitung wirft oder dem mächtigsten Mann der Welt auf Twitter folgt.

Ein Inhalt des Humanismus ist der Versuch, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der jede Person sich selbst verwirklichen und frei sein kann. In der man sich vorurteilsfrei gegenseitig unterstützt und voranbringt. Das beinhaltet nicht nur das Hinterfragen von Stereotypen. Es beinhaltet auch, dass man persönliche Meinungen und Geschmäcker als solche erkennt und nicht als universale Regeln sieht, an die andere sich zu halten haben.

Um das zu erreichen, muss man sich an die eigene Nase fassen und sich kritisch mit den eigenen Gedanken und Handlungen auseinandersetzen. Auch hierzu soll der internationale humanistische Feiertag einen Anstoß geben.

Katrin Raczynski, Vorstand des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg: Humanismus, wie ihn der Humanistische Verband auf so vielfältige Art und Weise praktiziert, ist für mich eine großartige Möglichkeit, auf Menschen zu treffen, für die Werte wie Solidarität und Toleranz wichtig sind und die sich politisch engagieren gegen Gewalt und Diskriminierung jeder Art. Es kann uns nur gelingen, die Welt – an den Orten, an denen wir Einfluss nehmen können – zu verändern, wenn wir das gemeinsam tun. Der HVD bietet diese Gemeinschaft und den Rahmen, sich zu engagieren. Denn wir haben nur uns und diese eine Welt und dieses eine Leben. Wenn wir etwas bewirken wollen, müssen wir es hier und jetzt tun, müssen ringen um Verständnis und Dialog, miteinander und füreinander. Das ist für mich Humanismus, jeden Tag aufs Neue.

Ines Scheibe, Bundesvorstandsmitglied des Humanistischen Verbandes Deutschlands: Ich engagiere mich als Humanistin, weil ich davon überzeugt bin, dass die Menschen in der Lage sind, eine gerechte, solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der jeder Mensch unabhängig von seiner geschlechtlichen Identifikation, seinen individuellen Besonderheiten, seinem Bildungsstand, seiner kultureller Prägung und seinem Alter ein sinnerfülltes, gutes Leben ohne existenzielle Sorgen führen kann, in Balance mit sich und der Natur. Bei den Mitgliedern des Humanistischen Verbandes Deutschlands treffe ich viele, die ähnliche Ideen und Gedanken haben. Wir beweisen tagtäglich, dass Menschen auch ohne religiöse Prägung und den Glauben an Gott wichtige Werte für das Zusammenleben und die individuelle Sinngebung besitzen. Unsere individuelle sowie soziale Verantwortung und unsere Freude am Leben erwachsen aus unserer Entwicklung und unserem Sein als Mensch. Dazu benötigen wir keine höhere Instanz.

Was ist los zum 21. Juni?

Der World Humanist Day soll dazu dienen, an die zentralen Werte, Ideen und Prinzipien einer humanistischen Lebensauffassung zu erinnern: vernunftorientiertes und rationales Denken, Selbstbestimmtheit, Individualität, Solidarität und Mitgefühl sowie die Überzeugung, dass alle Menschen nur ein einziges Leben besitzen.

Im Rahmen einer Konferenz der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union in Oslo wurde am 21. Juni 1986 dieser Tag als World Humanist Day („Welthumanistentag“) zum offiziellen Feiertag für Menschen ausgerufen, die ihr Leben ohne Orientierung an religiösen Vorstellungen und auf Grundlage einer humanistischen Lebensauffassung führen. Seit einigen Jahren finden Feiern dazu auch an vielen Orten im deutschsprachigen Raum statt.

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