Am 5. und 6. November 2025 trafen sich die Geschäftsführer*innen und leitenden Vertreter*innen von 19 humanistischen Organisationen aus ganz Europa in Vilnius zur jährlichen Sitzung des European Humanist Services Network. Gastgeberin war die litauische Organisation Humanistai – HIA Lithuania. Für den Humanistischen Verband Deutschlands nahm Katrin Raczynski teil, die für uns die internationale Arbeit verantwortet.
Das Treffen stand ganz im Zeichen gemeinsamer Professionalisierung: Humanistische Dienstleistungen – wie humanistische Hochzeiten, Jugendfeiern oder existenzielle Beratung – sollen europaweit besser sichtbar, qualitativ gesichert und in ihrem gesellschaftlichen Wert gestärkt werden.
Fundraising: Erfahrungen aus Rumänien – Inspiration für Europa
Einen besonders lebendigen Einblick bot Monica Belitoiu von ASUR (Rumänien). In ihrem Praxisbericht zeigte sie, wie es einem vergleichsweise kleinen, vollständig projektfinanzierten Verband gelingt, kontinuierlich Spenden einzuwerben – von privaten Kleinspenden über Firmenpartnerschaften bis zu EU-Förderprogrammen.
Ihre Botschaft: Fundraising ist kein Extra, sondern Grundbedingung für stabile humanistische Arbeit. ASUR zeigt, wie kreative Kampagnen, kontinuierliche Präsenz („Fundraising passiert jeden Tag“) und eine professionelle Nutzung von Fördermitteln ein Wachstum ermöglichen – auch ohne staatliche Unterstützung.
Viele Teilnehmende nahmen diese Impulse dankbar auf. Für das European Humanist Services Network ist geplant, 2026 eine koordinierte europäische Fundraising-Initiative zu starten, die sowohl gemeinsame Botschaften als auch den Austausch unter den Kommunikations- und Fundraising-Verantwortlichen stärkt.
Wie säkular ist Europa – und was bedeutet das für die humanistische Arbeit?
Einen wissenschaftlich fundierten Blick auf die religiös-weltanschauliche Lage Europas bot der Vortrag des Religionssoziologen Atko Remmel (Universität Tartu, Estland). Seine Forschung zeigt:
- In vielen Regionen Europas wächst die Gruppe derjenigen, die ohne religiöse Sozialisation aufgewachsen ist.
- „Religiöse Indifferenz“ ist heute weit verbreitet – aber sie bedeutet nicht Gleichgültigkeit gegenüber Sinn- und Lebensfragen.
- Gleichzeitig fehlt vielen Menschen eine Sprache für existenzielle Themen. Traditionelle religiöse Begriffe verschwinden, neue humanistische Vokabulare sind aber noch zu wenig etabliert.
Gerade hier sieht Remmel eine zentrale Chance für Humanist*innen:
Humanistische Organisationen verfügen über Expertise in Lebensfeiern, Bildungsarbeit und existenzieller Begleitung – also genau dort, wo Menschen Orientierung suchen, jedoch nicht auf religiöse Formate zurückgreifen möchten.
Für das European Humanist Services Network ist die Forschung Remmels direkt anschlussfähig, etwa bei der Entwicklung gemeinsamer Standards, etwa für Humanist Weddings, und dem Aufbau beruflicher Strukturen im Bereich Humanist Existential Care, der 2026 ein europäisches Standardwerk und ein Akkreditierungsmodell erhalten soll.
Organisatorische Weichenstellungen
Neben inhaltlichen Beiträgen wurden zentrale Dokumente verabschiedet: der Jahresbericht 2025, das Arbeitsprogramm 2026 und die strategischen Leitlinien bis 2027. Besonders stark ist das Netzwerk im Bereich der humanistischen Hochzeiten, wo inzwischen 20 Organisationen zusammenarbeiten. Der Launch der gemeinsamen europäischen Website humanistweddings.eu war 2025 ein Meilenstein.
Auch in der Jugendarbeit und der humanistischen existenziellen Begleitung gibt es inzwischen strukturierte, internationale Arbeitsgruppen und konkrete Projekte – darunter ein europäisches Jugendcamp 2027 und ein Workshop zur humanistischen Existential Care, der bereits im Oktober dieses Jahres in Berlin erfolgreich gestartet ist.
Fazit: Ein Netzwerk wächst zusammen
Das Treffen in Vilnius zeigte einmal mehr: Humanist*innen in Europa stehen vor ähnlichen Herausforderungen – und können gemeinsam viel erreichen. Die Mischung aus praktischen Einblicken, wissenschaftlicher Analyse und strategischer Planung sorgte für ein ausgesprochen produktives, kollegiales Treffen.
Für uns ist die Mitarbeit im European Humanist Services Network nicht nur europäische Kooperation, sondern ein Beitrag zu einer gemeinsamen humanistischen Infrastruktur, die Menschen in ganz Europa zugutekommt.
















