HVD befürchtet mehr Selbstjustiz

Der Deutsche Bundestag diskutiert seit nahezu sechs Jahren das Thema Patientenverfügungen. Eine parteienübergreifende Einigung ist in greifbare Nähe gerückt, dennoch stehen die Chancen für eine Verabschiedung schlecht. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) fordert jetzt, die Verantwortlichen dafür und die drohenden Folgen klar zu benennen.

Es geht um die Zusammenführung von zwei der drei auf dem Tisch liegenden Konzepte, die im Kern übereinstimmen. Die federführenden Vertreter der einen Abgeordnetengruppe, welche – freilich ohne einen einzigen Unionsabgeordneten – bisher fraktionsübergreifend die meisten Stimmen auf sich vereinen kann, sind Joachim Stünker (SPD) und Michael Kauch (FDP). Der Vertreter eines zweiten Entwurfs, der Unions-Fraktionsvize Joachim Zöller, entzieht sich jedoch jeder Absprache.

Der HVD stellt dazu fest: Sollte in dieser Legislatur ein Patientenverfügungs-Gesetz nicht gelingen, dann befürchtet der Humanistische Verband Deutschlands eine Zunahme von „Selbstjustiz“ gegen widerrechtliche Zwangsbehandlungen. Ende Mai soll das Thema abschließend behandelt werden. Eine parteienübergreifende Angleichung zur Wahrung des Patienten-Selbstbestimmungsrechts ohne Reichweiten-Begrenzung ist greifbare nahe. Während der Anhörung im Rechtsausschuss Anfang März plädierten viele Sachverständige für eine Zusammenführung beider Konzepte, die darin im Kern übereinstimmen. Dennoch stehen die Chancen für eine Verabschiedung schlecht: Seit Wochen wenden sich Vertreter aus SPD und FDP mit Gesprächsangeboten an die Union – doch bisher vergeblich.

Der Präsident des HVD, Dr. Horst Groschopp, erklärt: „Der Verhandlungsführer der Union, Joachim Zöller (CSU), macht sich einer unverantwortlichen Blockadehaltung schuldig, wenn er das weitgehende Entgegenkommen von Joachim Stünker (SPD) und Michael Kauch (FDP) ausschlägt. Herr Zöller und die hinter seinem Entwurf stehende Bundeskanzlerin müssen sich nach den Motiven ihrer Verhinderungspolitik fragen lassen.“
Der HVD nennt als Beispiel, was ohne rechtstaatliche Regelung geschehen kann, den eben in Fulda zu Ende gegangenen Sterbehilfe-Strafprozess. Behandelnder Arzt, die Tochter als Betreuerin und das Vormundschaftsgericht waren sich einig darüber, dass eine 77jährige Patientin nach fünf Jahren Koma endlich in Frieden sterben dürfe. Doch das Pflegeheim vereitelte dies mit drohenden Zwangsmaßnahmen und Hausverboten. Die Tochter sah keine andere Möglichkeit mehr, den Willen ihrer Mutter durchzusetzen, als deren Ernährungsschlauch durchzuschneiden.

Dazu erklärt Dr. Horst Groschopp: „Es geht um Rechtssicherheit für jene Menschen, die sich autonom für eine vorsorgliche Erklärung entscheiden ebenso wie für deren Angehörige, Ärzte, Betreuer und Pflegende. Die Unbelehrbaren, die sich gegen bestehendes Recht und herrschende Medizinethik immun zeigen, würden sich bestärkt sehen, wenn ein Patientenverfügungs-Gesetz scheitert – und verzweifelte Angehörige wie Patienten werden sich dagegen mit Mitteln zu wehren haben, die wohl niemand für wünschenswert hält.“

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