Novelle des katholischen Kirchenarbeitsrechts unzureichend

Humanistischer Verband: Konfessionsfreie bleiben Arbeitnehmer zweiter Klasse. Grundordnung formuliert teils übergriffige Loyalitätsobliegenheiten.

Die am 27. April 2015 von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands beschlossene Novelle der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ ist seitens des Humanistischen Verbandes Deutschlands auf deutliche Kritik gestoßen. Frieder Otto Wolf, Präsident des Verbandes, sagte dazu am Mittwoch in Berlin: „Die Überarbeitung bleibt hinter den Standards, denen sich viele andere Träger in der freien Wohlfahrtspflege sowie im Bildungs- und Kulturwesen zu stellen haben, deutlich zurück.“

In der novellierten Fassung wird stärker als bisher zwischen den Loyalitätsanforderungen an katholische und andere Mitarbeiter, Pfarrer und pastorale Mitarbeiter sowie sonstige Mitarbeiter ohne besonderen Verkündungsauftrag unterschieden. Künftig soll eine Wiederverheiratung oder das Eingehen einer Lebenspartnerschaft nicht mehr zwangsläufig zur Kündigung führen. Den Gewerkschaften sollen bessere Mitwirkungsmöglichkeiten in den kirchlichen Betrieben ermöglicht werden. Die neue Grundordnung tritt jedoch erst in Kraft, wenn sie im jeweiligen kirchlichen Amtsblatt der Diözesen veröffentlicht wurde.

„Die Überarbeitung entspricht lediglich den politischen Zwängen, die sich aufgrund der breiten gesellschaftlichen Kritik in den vergangenen Jahren und den Veränderungen in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft ergeben haben“, sagte Frieder Otto Wolf zu der Novelle weiter. „Sie ist nicht geeignet, unsere grundsätzliche Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht zu entkräften.“ Zur Begründung verwies er darauf, dass viele Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft überwiegend oder vollständig von der Allgemeinheit finanziert werden, dem allgemeinen Recht und Gesetz aber in den Einrichtungen keine Geltung zukomme. Dies mache es möglich, konfessionsfreie Arbeitnehmer gegenüber kirchlich gebundenen Arbeitnehmern zu benachteiligen, ohne dass dafür gute Gründe erkennbar sind. „Konfessionsfreie in Berufen des Sozial-, Gesundheits-, Pflege-, Kultur- und Bildungsbereichs bleiben weiterhin Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zweiter Klasse. Noch immer werden sie von der Bewerbung auf nicht-verkündigungsnahe Tätigkeiten ausgeschlossen. Kirchlich gebundene Bewerber dürfen auch dort bevorzugt werden, wo es angesichts der Art der Tätigkeit und mit Blick auf die finanziellen Hintergründe kein legitimes und vernünftiges Argument dafür gibt“, stellte Frieder Otto Wolf fest.

Deutliche Kritik gibt es auch an den Loyalitätsobliegenheiten der Grundordnung, durch die Verhaltenspflichten der Mitarbeiter im beruflichen wie auch im privaten Umfeld bestimmt werden. So wird von allen Mitarbeitern verlangt, dass sie „kirchenfeindliches Verhalten“ zu unterlassen haben und in ihrer persönlichen Lebensführung die „Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden“. Dies seien angesichts einer weltanschaulich pluralisierten Gesellschaft, in der mehr als ein Drittel der Bevölkerung keiner Kirche angehört, höchst fragwürdige Rechtsmaßstäbe. „Aufgrund unserer kritischen Haltung zu einigen Fragen, die auch die katholischen oder evangelischen Kirchen betreffen, wurde unser Verband von kirchlichen Vertretern wiederholt als kirchenfeindlich eingestuft, obwohl wir lediglich abweichende ethische oder politische Standpunkte vertreten haben, wie es in einem modernen und offenen Gemeinwesen jeder Person als Recht zukommt“, so Wolf dazu. Die Formulierung der Loyalitätsobliegenheiten gibt daher zu befürchten, dass beispielsweise eine konfessionsfreie Mitarbeiterin einer Caritas-Kantine, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für den Humanistischen Verband engagiert, schon allein deshalb mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Dies sei für einen freiheitlichen Staat inakzeptabel, sagte Frieder Otto Wolf. Als zweiten Fall einer übergriffigen Loyalitätsanforderung nannte er, Beschäftigten generell die Teilnahme an öffentlichen Aktivitäten zur Förderung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen zu untersagen: Artikel 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a der Grundordnung verbietet „die Propagierung von Abtreibung“, worunter kirchlicherseits aber bereits jede Tätigkeit verstanden wird, die Stellung für das Recht auf die rechtzeitige Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft bezieht. „Eine derartige Einschränkung der Autonomie außerhalb der Dienstzeit widerspricht dem allgemeinen Menschen- und Grundrecht auf Gewissensfreiheit“, sagte Frieder Otto Wolf dazu.

Als nachvollziehbar bezeichnete er es hingegen, dass Beschäftigte christliche Glaubenslehren nicht innerhalb der Dienstzeit oder innerhalb kirchlicher Einrichtungen bestreiten und verunglimpfen sollen. „Diese Loyalitätsobliegenheiten wären jedoch auch im Rahmen allgemeiner Regeln des Tendenzschutzes durchzusetzen“, betonte Wolf. Wegen all dem erweise sich die Novelle aus humanistischer Sicht als unzureichend. „Und dies bleibt der Fall, solange die katholische Kirche versucht, nicht nur als freier Träger Aufgaben der Daseinsvorsorge zu übernehmen, sondern damit gleichzeitig spezifische moralische Vorstellungen durchzusetzen. Diese Novelle ist ein Feigenblatt, mit der sich weder konfessionsfreie noch kirchlich gebundene Arbeitnehmer zufrieden geben sollten.“

Weiterführende Informationen:
Eckpunkte zu arbeitsrechtlichen Fragen in Bezug auf die Sonderstellung des HVD als Weltanschauungsgemeinschaft
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht und individuelles Arbeitsrecht. Eine menschenrechtliche Bewertung (Deutsches Institut für Menschenrechte)

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