Nach dem heutigen Urteil des Amtsgerichts Gießen gegen die Ärztin Kristina Hänel hat der Humanistische Verband Deutschlands (HVD-Bundesverband) die Forderungen nach einer Abschaffung des Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch bekräftigt. Hänel war vom AG Gießen wegen der Bereitstellung von Informationen zum Schwangerschaftsabbruch auf ihrer Website zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Die Psychologin Ines Scheibe vom Vorstand des HVD-Bundesverbandes kritisierte das Urteil am Freitagnachmittag in Berlin als „überzogene Reaktion auf Grundlage einer veralteten, frauenrechtsfeindlichen Gesetzesbestimmung“.
Sie sagte: „Ein selbstbestimmtes Leben ist ohne selbstbestimmte Familienplanung nicht denkbar. Eine selbstbestimmte Familienplanung ist nicht möglich ohne den Zugang zu medizinisch und psychologisch qualifizierten sowie weltanschaulich neutralen Informationen über Möglichkeiten und Bedingungen der rechtzeitigen Beendigung ungewollter Schwangerschaften. 219a StGB erschwert den Zugang zu diesen Informationen, er behindert ohne gute Gründe selbstbestimmte Entscheidungen für oder gegen eine Schwangerschaft und bietet eine Grundlage für inakzeptable Schikanen durch religiöse Fundamentalisten und andere radikale Abtreibungsgegner“, so Scheibe, Leiterin einer Schwangerenberatungsstelle in Berlin und u.a. im Koordinationskreis des vom HVD initiierten und mitgegründeten Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung aktiv. Frauen sollten auch im digitalen Zeitalter ohne Umstände erfahren können, wohin sie sich bei ungewollten Schwangerschaften wenden können und sollten dies auch durch eigene Recherchen herausfinden können, so Scheibe weiter.
Kritik übte sie ebenfalls an der Höhe der vom AG Gießen verhängten Geldstrafe, mit der die Richterin dem Antrag des Staatsanwalts entsprochen hat. Die Strafbemessung sei eine „überzogene Reaktion auf Grundlage einer veralteten, frauenrechtsfeindlichen Gesetzesbestimmung. Wir unterstützen daher ausdrücklich parlamentarische Initiativen, die den 219a StGB in seiner bisherigen Form aufheben wollen, sodass eine widersprüchliche Gesetzeslage, die den sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwert und Ärztinnen und Ärzte sowie Klinikpersonal weiterhin ungerechtfertigt kriminalisiert, endlich beseitigt wird“, so Scheibe.