HVD erinnert Volker Beck: Gerichtsgebäude sind keine Tempel

Debatte nicht unnötig, sondern überfällig: Frieder Otto Wolf kritisiert Äußerungen von Grünen-Politiker Volker Beck im Kruzifix-Streit beim NSU-Prozess in München.

„Religiöse Symbole in Gerichten, Behörden und ähnlichen Einrichtungen widersprechen klar dem Gebot zur staatlichen Neutralität“, betonte Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Freitag in Berlin.

Wer meine, dass der Gerichtsprozess um die rechtsextreme Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) kein Ort sei, um Fragen kultureller oder religiöser Identität zu klären, brauche sich über gesellschaftliche Missstände an anderer Stelle nicht zu beklagen, so Wolf mit Blick auf Äußerungen des Grünen-Politikers Volker Beck weiter.

Anlass war die Debatte um ein Kruzifix, welches in dem Saal aufgehängt ist, in dem der Gerichtsprozess um die verbliebenen Angehörigen der rechtsextremen Vereinigung am Montag begonnen hatte. Ein türkischer Abgeordneter bezeichnete das Kruzifix als „Bedrohung“ und verlangte die Entfernung. Der Forderung widersprachen Politiker aus CDU/CSU sowie weitere Vertreter der Kirchen, aber auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland Aiman Mazyek und Grünen-Politiker Volker Beck wiesen sie zurück. Volker Beck meinte, der Prozess sei „nicht der Ort, um Fragen kultureller oder religiöser Identität zu klären“. Die Reaktionen auf die Forderung seien genauso unnötig wie die Forderung des türkischen Politikers selbst, so Beck.

„Offenbar hat er den Blick für die Zusammenhänge völlig verloren“, sagte Frieder Otto Wolf, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen, zu den Äußerungen von Volker Beck. „Die Forderung nach der Entfernung religiöser Zeichen ist nicht nur in diesem Fall gerechtfertigt, um das Vertrauen in die Neutralität staatlicher Instanzen zu wahren, sie ist in einem demokratischen und weltanschaulich neutralen Staat grundsätzlich und jederzeit richtig. Gerichtsgebäude sind keine Tempel.“

Weshalb Volker Beck der Ansicht sei, dass im international aufsehenerregenden NSU-Prozess ein Kruzifix im Gerichtssaal akzeptabel wäre, sei ihm „völlig schleierhaft“. Und dass der Prozess für Beck keinen Ort zur Debatte und Klärung von Fragen kultureller und religiöser Identität darstelle, werfe Zweifel daran auf, ob der Grünen-Politiker überhaupt verstanden habe, um was es in der laufenden gesellschaftlichen Aufarbeitung geht: „Konflikte auf Basis von kulturellen und auch religiösen Identitäten bilden doch ein Zentrum der erschreckenden Geschehnisse“, sagte Wolf. Eine entsprechende Debatte, auch um Kruzifixe im Gerichtssaal, sei nicht nur „nicht unnötig, sondern überfällig.“

Wolf drückte schließlich seine Hoffnung aus, dass Volker Beck sich noch rechtzeitig daran erinnern werde, welche sonstigen Positionen die Fürsprecher der prominenten Platzierung religiöser Symbole in Gerichten, Behörden, Schulen und Ministerien im Alltag vertreten – nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch weltweit.

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