HVD schreibt Offenen Brief an Angela Merkel

Präsidium erinnert Bundeskanzlerin an die humanitäre Pflicht, beim Treffen mit Benedikt XVI. die Missstände in der Kirche kritisch anzusprechen.

Am Wochenende hat das Verbandspräsidium des Humanistischen Verband Deutschlands einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel verschickt. Im Schreiben wird die Bundeskanzlerin dazu aufgefordert, beim im September geplanten Treffen mit Benedikt XVI. den Standpunkt „einer offenen, demokratischen Gesellschaft zu vertreten und die Defizite der katholischen Kirche bei der Anerkennung und Umsetzung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen niedergelegten Grundsätze deutlich anzusprechen.“

Themen des Schreibens sind außerdem die historischen Staatsleistungen an die katholische Kirche in Deutschland, die Diskriminierung konfessionsfreier, nichtreligiöser und auch in der Kirche beschäftigter Menschen, der dringende Reformbedarf im Bereich der Sexual- und Reproduktionsethik sowie die Haltung des Verbands zu Benedikts XVI. Rolle als Staatsoberhaupt und dem Status bei den Vereinten Nationen.

Im Schreiben wird die Bundeskanzlerin ferner dazu aufgefordert, ein der säkularen Staatsform der Bundesrepublik Deutschland entsprechendes Protokoll bei der Begegnung mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche zu wahren und im Gespräch auch „die lückenlose Aufklärung der von katholischen Priestern und Ordensleuten begangenen Delikte an Heim- und Internatskindern unmissverständlich einzufordern.“

Der Humanistische Verband Deutschlands schloss sich damit im Tenor einem Schreiben an, welches in der vergangenen Woche von der Giordano Bruno Stiftung an die Bundeskanzlerin versandt wurde und ähnliche Forderungen formulierte. Dem dort enthaltenen Appell an die Bundeskanzlerin, Benedikt XVI. von einer Abkehr gegenüber der geplanten Seligsprechung von Pius XII. zu überzeugen, schloss sich das Verbandspräsidium aber nicht an. Seligsprechungen wurden als Verfahren beurteilt, in dem die Kirche souverän handeln soll.

„Wir haben uns an die Bundeskanzlerin gewandt, um unsere Erwartungshaltung gegenüber Angela Merkel bei der Kritik an denjenigen tatsächlich existenten Defiziten in der von Benedikt XVI. zu verantwortenden Politik der Kirche zu formulieren, die aus humanitärer Perspektive heute am drängendsten sind“, erklärte Verbandspräsident Frieder Otto Wolf. Damit komme der Verband nicht nur seiner Aufgabe als Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes und Interessenvertretung konfessionsfreier und nichtreligiöser Menschen in Deutschland nach.

„Der Offene Brief soll zugleich kritischen Stimmen innerhalb der katholischen und auch evangelischen Kirche Unterstützung und Rückhalt verschaffen. Das empfanden wir als eine persönliche Verpflichtung, die im Selbstverständnis von Humanistinnen und Humanisten begründet werden kann“, sagte Wolf weiter.

Er verwies auf das im Frühjahr veröffentlichte Memorandum Freiheit, den im Mai formulierten Thesenanschlag des Bunds der Katholischen Jugend zur Weiterentwicklung der Kirche und die Reformbewegungen an der Basis der kirchlichen Gemeinschaft. Der Verband hofft, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im Ergebnis ihren Blick nicht nur für die Auffassungen der großen Zahl konfessionsfreier Menschen in Deutschland weitet, sondern ebenfalls die vielen kritischen Stimmen von Christinnen und Christen wahrnimmt, die sich in diesen Fragen anscheinend nicht ausreichend Gehör verschaffen können. Angela Merkel hatte in der Vergangenheit schließlich immer wieder betont, Kanzlerin aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sein zu wollen.

Im Schreiben heißt es zu den Aufforderungen an die Bundeskanzlerin für eine Kritik an den Missständen in der von Benedikt XVI. geführten Kirche schließlich: „Als Oberhaupt der Regierung unseres Landes haben Sie die Möglichkeit und daher die humanitäre Pflicht, hier auf Veränderungen hinzuwirken.“ Der Verband erwartet, Bundeskanzlerin Angela Merkel werde „die unteilbaren Menschenrechte auch da behaupten, wo sie kirchlichen Traditionen entgegenlaufen“ und dem Vorrang der Gebote echter Humanität die erforderliche Geltung im Rahmen der Begegnung mit Benedikt XVI. verschaffen.

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