Humanistischer Verband Deutschlands hält Reform des Schwangerschaftsabbruchs für breit konsensfähig

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Erwin Kress

Vorstandssprecher des Bundesverbandes

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Beitragsbild: Wetandi/Pixabay

In Deutschland werden innerhalb der Dreimonatsfrist jährlich ca. 96.000 Schwangerschaftsabbrüche straffrei vorgenommen. Dabei gilt nach Gesetz ab Einnistung der befruchteten Eizelle in den Uterus, dass diese bereits Würde- und Lebensschutz haben soll. Deswegen soll die Abtreibung gemäß Paragraf 218 StGB rechts- und sittenwidrig sein. Diese Widersprüchlichkeit in den Paragrafen 218 ff. StGB und die anachronistische Stigmatisierung von unerwünscht schwangeren Frauen sollen nunmehr gemäß einer aktuellen Kommissionsempfehlung moderat reformiert werden. Die Schritte dazu dürften auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens treffen – wobei der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) sich noch weitergehende Vorschläge wünscht.

„Wer gegen einen neuen humanen und vernunftorientierten Wertekompass das Bundesverfassungsgericht anrufen will, um der angeblichen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, ruft und redet diese in Wirklichkeit herbei“, schätzt Erwin Kress, Vorstandssprecher des HVD Bundesverbandes, die politische neue Situation ein.

Dahinter steht bei den Reformgegner*innen immer noch die Vorstellung, dass das Leben ab der Zeugung beseelt und schützenswert sei, ein Ebenbild Gottes. Selbst innerhalb der Kirchen ist diese dogmatische Betrachtungsweise umstritten. In der Bevölkerung findet sie keine Mehrheit. Insbesondere in der evangelischen Kirche gibt es auch im Leitungsbereich deutliche Abweichungen davon.

Die bestehende Strafrechtsregelung aus dem Jahr 1995 nennen ihre konservativ-christlichen Anhänger*innen einen mühsam erzielten und seitdem bewährten „Kompromiss“. Dabei blenden sie erstaunlicherweise aus, dass dieses vor 30 Jahren vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Gesetz auch in ihrem Sinne reformbedürftig sein dürfte. Denn es sieht bei jährlich nahezu 3.500 sogar bis kurz vor der Geburt erlaubten Spätabbrüchen aufgrund von heutzutage pränatal diagnostizierter Fehlbildungen oder Krankheiten für diese Föten keinerlei Lebensschutzkonzept vor (etwa durch Beratungspflicht oder eigenständige Indikation).

„Wir wollen auf einen eklatanten Wertewiderspruch aufmerksam machen“, sagt die Beauftragte für Medizinethik des HVD Bundesverbandes Gita Neumann. „Denn das herkömmliche Menschenwürdekonzept sogenannter Lebensschützer*innen richtet sich auf das embryonale Frühstadium oder gar die Eizelle, unter Vernachlässigung des Wohls von hochentwickelten Föten oder gar des Schicksals der geborenen Kinder.“

An wissenschaftlicher Evidenz orientierte Fristenregelungen haben sich nach Auffassung des HVD zudem von einer lediglich metaphysisch zu verstehenden Dreimonatsfrist zu lösen – die viele EU-Staaten bereits ausgeweitet haben. Entscheidend sind vielmehr zwei Entwicklungsphasen ab der 20. Schwangerschaftswoche: die der beginnenden Fähigkeit zur Schmerzempfindung und die zum möglichen Überleben auch außerhalb des Uterus.

Der HVD hat seine Position zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland bereits in einer Erklärung vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vertreten. In der gemeinsamen Erklärung des HVD und Humanists International wurde betont, dass der Schwangerschaftsabbruch kein Verbrechen ist, sondern ein Recht der Frauen, das durch eine Vielzahl internationaler Menschenrechtsinstrumente geschützt ist.

Die detaillierte Position des HVD ist nachzulesen in der Broschüre „Zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen“.

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