Gesundheitsminister Spahn verweigert Schwerstkranken weiterhin Zugang zu Suizidmitteln – und verhindert Transparenz

Jens Spahn beim CDU-Parteitag 2014
Jens Spahn beim CDU-Parteitag 2014

Beitragsbild: Olaf Kosinsky / Wikipedia | CC BY-SA 3.0 Unported

Gesundheitsminister Spahn begeht nach Ansicht von Fachleuten seit 2018 offenen Rechtsbruch: Er versagt Schwerstkranken den Zugang zu Suizidmitteln – entgegen eines letztinstanzlichen Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes. Spahn weigert sich zudem, sein Vorgehen transparenter zu machen. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) kritisiert dies aufs Schärfste.

Im Jahr 2015 hatte der Deutsche Bundestag eine organisierte Suizidhilfe für entscheidungsfähige schwer leidende Menschen verboten, die nicht länger leben wollen (§ 217 StGB). Im Frühjahr 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass schwer leidenden lebensmüden Menschen in Ausnahmefällen Zugang zu tödlichen Betäubungsmitteln gewährleistet werden muss. Zuständig ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Der für das Institut zuständige Gesundheitsminister Jens Spahn hat jedoch persönlich angewiesen, dass alle Anträge von Schwerkranken abgewiesen werden. Er setzt damit die Weigerung seines Vorgängers Hermann Gröhe fort, eine höchstrichterliche Anweisung umzusetzen. Über 100 Anträge zur Überlassung tödlicher Medikamente an schwer leidende Sterbewillige ließ Spahn bereits ablehnen. Der Humanistische Verband Deutschlands – Bundesverband (HVD) hatte dieses Vorgehen bereits im Sommer 2018 scharf kritisiert.

Das Verwaltungsgericht Köln hat jetzt das Bundesgesundheitsministerium im Eilverfahren aufgefordert, sein Vorgehen in dieser Angelegenheit transparenter zu machen. Wie der Tagesspiegel heute berichtet, sollen Spahns Beamte Informationen zu einer Ministervorlage herausgeben, in der sie das Karlsruher Verfahren zum § 217 StGB bewerten. Spahn will dies laut Presseberichten jedoch nicht akzeptieren und hat dagegen Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wird darüber entscheiden müssen.

Erwin Kress, Vorstandssprecher des HVD, kritisiert: „Das offenbare Leid der Antragsteller wird mit leichter Hand ignoriert. Strikt verteidigt werden soll eine noch immer in manchen kirchlichen und politischen Kreisen gehegte Haltung, dass man Menschen eine freiwillige Beendigung ihres Lebens unter keinen Umständen gestatten darf. Als besonders boshaft muss man werten, dass Minister Spahn es zulässt, dass die schwer leidenden Antragsteller eine quälende Antrags- und Begutachtungsprozedur über sich ergehen lassen müssen, obwohl die Ablehnung ihrer Anträge von ihm schon angeordnet ist.“

Bild: Evelin Frerk
HVD-Vorstandssprecher Erwin Kress

Der HVD hatte bereits 2018 eine Harmonisierung der Rechtssprechung zur Suizidbeihilfe im Sinne der Bevölkerung gefordert. Denn die große Mehrheit der Deutschen befürwortet, dass es in Deutschland bei einer schweren, unheilbaren Krankheit ein „Recht auf eine Beihilfe zur Selbsttötung“ geben solle.

Nach Ansicht des HVD lässt sich ein verantwortlicher Umgang mit der Suizidhilfeproblematik und eine Regelung aus einem Guss in vier Punkten zusammenfassen:

  • Wiedereinführung der Rechtslage von Dezember 2015, d.h. der straffreien Hilfe zum freiverantwortlichen Suizid durch Abschaffung des § 217 StGB
  • Beibehaltung des § 216 StGB, das heißt der Tötung auf Verlangen, ohne diesen als „Tötung durch Unterlassen“ zur Suizidhilfebestrafung nutzen zu können
  • Zulassung der Abgabe von Natrium-Pentobarbital durch suizidhilfewillige Ärzt*innen gemäß strenger Sorgfaltskriterien
  • Einführung einer qualifizierten, ergebnisoffenen Suizidkonfliktberatung

Der HVD wird hierzu in Kürze einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Spahn will vorerst an seiner Linie festhalten und das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abwarten. Dessen Entscheidung über das Verbot geschäftsmäßiger Suizidhilfe ist für den 26. Februar 2020 angesetzt. Der HVD hofft, dass das Gericht Selbstbestimmung und Menschenwürde in der Frage des Todes wieder zur Achtung verhelfen wird.

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