Benedikt XVI. hat am Samstag in der ARD „Das Wort zum Sonntag“ gesprochen. Er war damit der zweite Papst nach Johannes Paul II., der am 25. April 1987 als Sprecher dieser Sendung landesweit Beachtung gefunden hat. Seit diesem Jahr hat sich die gesellschaftliche Vielfalt der Weltanschauungen in Deutschland erheblich geändert. Entsprechend muss sich nach Auffassung des Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) das Konzept der öffentlich-rechtlichen Medien anpassen. Diese werden schließlich durch Beitragszahler höchst vielfältiger Konfessionsgruppen und durch konfessionsfreie Menschen finanziert.
„Das heutige Ereignis dürfte sehr eine Hinterfragung der Ansicht wert sein, dass sich diese Sendungen auf Plattformen wie die der ARD und vergleichbaren Medien heute noch ebenso rechtfertigen lassen, wie beim Start der Fernsehreihe vor über 55 Jahren“, sagte Frieder Otto Wolf als Präsident des HVD. Damals waren noch mehr als 95 Prozent der Menschen in Deutschland als einer der christlichen Kirchen angehörig registriert. Bis heute ist dieser Wert um über 35 Prozent gesunken.
Der HVD stellte beim Blick auf die Rede von Benedikt XVI. beim Wort zum Sonntag fest, dass in diesem Bereich weiterhin ein dringender Reformbedarf besteht. Die früher nachvollziehbare Institution muss als eine überkommene Privilegierung bezeichnet werden, „die wohl nicht mehr wirklich mit der kulturellen und der weltanschaulichen Vielfalt des Landes, sondern nur noch machtpolitisch legitimiert werden kann.“
„Wir sehen dabei keinen Anlass, uns pauschal gegen ein im öffentlichen Rundfunk institutionalisiertes Ereignis dieser Art wenden“, so Wolf weiter. Dass Vertreter von Weltanschauungsgemeinschaften im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Möglichkeiten zur regelmäßigen Wortmeldung finden, kann auch aus säkularer Sicht, anders als bei dem durch den Verband abgelehnten Auftritt Benedikts XVI. vor dem Deutschen Bundestag, durchaus gut begründet werden.
Während das Parlament als „neuralgischer Punkt des säkularen Staates“ nicht als Plattform für Werbebotschaften religiöser Führungspersönlichkeiten dienen darf, sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als einem durch die Allgemeinheit finanzierten Medium auch entsprechende Podien für Meinungsäußerungen durch einen Papst und andere Repräsentanten der Kirchen vertretbar.
Die einseitige Konzeption des heutigen Sendeformats ist jedoch als Ausdruck einer unzeitgemäßen und diskriminierenden Dominanz zu werten. Das sollte durch das Ereignis in Erinnerung gerufen werden, meinte Wolf weiter.
Es gibt allen Grund anzunehmen, dass die Menschen nicht nur an den Vorträgen von Vertretern der christlichen Kirchen ein berechtigtes Interesse haben, sondern ebenfalls nichtreligiöse und andersgläubige Bürgerinnen und Bürger eine ihren Anschauungen entsprechende Plattform zur regelmäßigen Wortmeldung durch von ihnen respektierte und angesehene Denker schätzen würden.
Wolf: „Hier müsste sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Bedürfnissen und tatsächlich vorhandenen Interessen in unserer Gesellschaft wohl endlich öffnen. Für mich sind jetzt jedenfalls keine plausiblen Gründe ersichtlich, warum diese prominent platzierten Angebote mit ihren Vorschlägen zur Sinnstiftung auf die Gruppe von Menschen beschränkt sein sollten, welche einem christlichen Glauben folgen.“
Zusatzinformation: Der Humanistische Verband Deutschlands ist Mitglied im Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO). Der KORSO tritt im Namen von rund 28 Millionen konfessionsfreien oder nichtreligiösen Menschen in Deutschland für eigene und angemessene Vertretungen in Ethikräten, Rundfunkräten und Bundesprüfstellen sowie eine Gleichbehandlung in den öffentlich-rechtlichen Medien ein.