Die Einigung auf eine Entscheidungslösung unter den Bundestagsfraktionen am 1. März 2012 mit dem Ziel der Erhöhung einer Bereitschaft zur Organspende ist im Präsidium des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD) mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. „Ich begrüße es, dass sich die fünf Fraktionen bei diesem Thema zusammenraufen konnten“, so Erwin Kress. Höhere Spenderzahlen sieht er dadurch aber noch nicht gewährleistet.
„Die Krankenkassen hatten gemäß Transplantationsgesetz bereits bisher die Aufgabe, über die Organspende aufzuklären und dafür zu werben. Sie haben dies mehr oder weniger eingestellt, als ihre Bemühungen keinen großen Erfolg hatten. Dies lag zum einen daran, dass viele Menschen den Gedanken an den eigenen Tod von sich schoben, zum anderen stellten sich viele Fragen, über die wenig aufgeklärt wurde. Dass die nun vorgesehene Holzhammermethode die Spendebereitschaft deutlich erhöht, darf bezweifelt werden“, so Kress weiter.
Erwin Kress betonte, dass bereits in 2010 bei möglichen Organspenden in den Kliniken in 74 Prozent der Fälle die Angehörigen sich für die Organspende entschieden hätten oder ein Spenderausweis vorlag. Natürlich ist es wünschenswert, wenn sich deutlich mehr als 75 Prozent der Bevölkerung für Organspende aussprechen und dies möglichst auch mittels Spenderausweis dokumentieren.
„Dies ist jedoch nur zu erwarten, wenn zu den vielen Fragen, zum Teil auch falschen Informationen, die es bei den wirklich Unentschlossenen oder Ablehnenden gibt, umfassend, ehrlich und offen Stellung genommen wird, ohne jede Beschönigung. Nur Hochglanz hilft hier nicht weiter.“
Dass in Deutschland vergleichsweise wenig Spenderorgane für die darauf angewiesenen Patienten und Patientinnen zur Verfügung stehen, liegt zu einem großen Teil darin begründet, dass viele Krankenhäuser längst nicht alle Hirntote als Organspender erfassen bzw. melden, obwohl sie per Gesetz dazu verpflichtet sind. Hier sind laut Kress dringende Organisationsverbesserungen im neuen Gesetz erforderlich.
Ein neues Problem entstehe auch dadurch, dass immer mehr Patienten und Angehörige nicht mehr jede mögliche intensivmedizinische Behandlung in Anspruch nehmen. Organentnahme setze aber bei vorliegendem Hirntod künstliche Beatmung und weitere Maßnahmen zum Organerhalt voraus. Kress: „Hier müssen, auch vom Gesetzgeber, Wege gefunden werden, diesen Widerspruch nach Möglichkeit aufzulösen.“
Zugleich plädierte Erwin Kress gegenüber Humanistinnen und Humanisten dafür, der Bedeutung des Themas für sich selbst nachzugehen, sich frühzeitig und intensiv mit der Frage nach der eigenen Bereitschaft zur Organspende auseinanderzusetzen und damit auch die Angehörigen für den Fall des Falles zu entlasten.
„In der dokumentierten Bereitschaft zur Organspende zeigt sich ein praktischer Humanismus. Eine Spende kann andere Leben verlängern und Leiden verringern helfen. Es gibt daher aus meiner Sicht zahlreiche triftige Argumente, sich selbstständig und frühzeitig über die Bedingungen einer Organspende zu informieren und sich – wenn keine guten Gründe dagegen sprechen – auch dazu bereit zu erklären.“