Amtswechsel sollte nicht Blick auf wichtige Themen verstellen

Frieder Otto Wolf zum Rücktritt von Benedikt XVI.: Amtswechsel nicht überbewerten. Eine Erneuerung in der Kirche hängt heute vor allem von ihrer Basis ab.

Als einen vernünftigen Schritt hat Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Mittwoch in Berlin die Entscheidung des katholischen Papstes Benedikt XVI., am 28. Februar 2013 sein Amt niederzulegen, beurteilt. Wolf warnte gleichzeitig davor, dass von der Inszenierung des Rücktritts und der Neuwahl eines Papstes der Blick auf wichtige Themen verstellt wird.

„Mit einer ungewöhnlichen und überraschenden Entscheidung hat Benedikt XVI. für viel Erleichterung auch bei nicht wenigen Katholikinnen und Katholiken und anderen Christen gesorgt“, so Frieder Otto Wolf. Eine weitgreifende Kommentierung seines Wirkens sei angesichts dieser Tatsache nicht unbedingt geboten. Wolf erinnerte aber daran, dass Benedikt XVI. noch im vergangenen November vor der Bedeutung eines „praktischen Atheismus“ gewarnt hatte. Dieser sei letztlich noch zerstörerischer als die theoretische Bestreitung der Existenz von Göttern in früheren Jahrhunderten, hieß es damals.

„Wir können natürlich hoffen, dass die Verantwortlichkeit von Benedikt XVI. im Rahmen seines langjährigen Dienstes als Herr über die Kongregation für die Glaubenslehre nicht vergessen wird. Aber es liegt nun besonders bei den Gläubigen an der kirchlichen Basis selbst, Chancen auf einen längst überfälligen Aufbruch wie auch eine humanisierende Erneuerung kirchlicher Strukturen und Positionen zu nutzen. Allen reformorientierten Kräften ist dabei weiter viel Kraft, Ausdauer und vor allem auch Erfolg zu wünschen.“

Frieder Otto Wolf sagte weiter, dass die repressive, reaktionäre und dogmatische Politik von Benedikt XVI. aus einer säkularen und humanistischen Perspektive heute nicht mehr das zentrale Problem für die europäischen Gesellschaften sei.

Humanistinnen und Humanisten sollten sich daher auch in den kommenden Monaten nicht den Blick auf bedeutende Krisenlagen und wirklich wichtige Themen verstellen lassen. Dazu gehörten die Konsequenzen eines ungeregelten Finanzkapitalismus, die nicht nur in einigen südeuropäischen Ländern in erschreckender Weise die Lebenswirklichkeit von großen Teilen der Bevölkerung prägen. Wolf betonte an, dass es bei diesem Thema mittlerweile einen Konsens gebe, der nicht auf politische oder zivilgesellschaftliche Vereinigungen begrenzt sei. Das zeige etwa die päpstliche Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag am Jahresbeginn relativ unmissverständlich.

„Krisenlagen ohne sichtbare Auswege finden sich nicht nur in Griechenland oder Spanien“, so Wolf weiter. „Sogar in Deutschland gibt es diese, wie uns das Fehlen von überzeugenden und tragfähigen Lösungen bei der Bewältigung des demografischen Wandels, die wachsende Entfremdung der Politik gegenüber den realen Bedürfnissen der Menschen und das schrumpfende Vertrauen der Bevölkerung in die gesellschaftlich und politisch prägenden Instanzen zeigt.“

Humanistisch denkende Menschen sollten sich in ihrem persönlichen wie auch in ihrem öffentlichen und gesellschaftlichen Einsatz trotz zu erwartender medialer Inszenierungen rund um den Wechsel des Oberhauptes der katholischen Kirche eine Perspektive erhalten, welche die Lösung von den gravierenden Problemen weiterhin ermöglicht und fördert.

Wolf: „Die Wahl des nächsten Papstes kann daher nur insofern interessant wirken, wie sie eine Antwort auf die Frage enthält, ob die römisch-katholische Kirche in den folgenden Jahren ein ernstzunehmender Akteur in einer vielfach säkularen wie auch multireligiösen globalisierten Welt und im Sinne der Humanisierung aller Verhältnisse sein wird, oder ob sie am von Benedikt XVI. jahrelang vorgegebenen Kurs festhält.“

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