„Die Vergleiche Müllers zeigen wieder einmal, wie fremd der römischen Kirche die Werte der Aufklärung und der offene Umgang mit Kritik auch heute noch sind“, sagte Helmut Fink, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Freitag in Nürnberg zu den jüngsten Äußerungen des Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller.
Der Bischof hatte gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ erklärt, er fühle sich aufgrund „gezielter Diskreditierungskampagnen gegen die katholische Kirche“ an eine „Pogromstimmung“ erinnert. Dies wüchse aus einer „künstlich erzeugten Wut“, so Müller, und beinhalte Attacken gegen seine Kirche, „deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum“.
Zwar sei Müller schon seit Jahren in weiten Teilen der Gesellschaft für seine Neigung zu abseitigen und diffamierenden Äußerungen bekannt, so Fink weiter, „er hat aber durch sein neues Amt in Rom nun offenbar endgültig jeden Sinn für die Spielregeln in der modernen, offenen Gesellschaft verloren.“
Selbstverständlich sei öffentliche Kritik an der katholischen Kirche auch dann erlaubt, wenn sie hart formuliert werde. Mit Pogromen habe das nichts zu tun. „Hierfür das Bild einer Pogromstimmung gegen die eigene Kirche zu verwenden, ist schlicht eine Beleidigung für die Opfer tatsächlicher Pogrome. Müller schämt sich offenbar nicht, die Mitverantwortung des von ihm gehüteten Glaubens für Pogrome in der Vergangenheit in eine heutige Opferrolle umzudeuten.“
Helmut Fink erinnerte außerdem daran, dass die wachsende Kritik an der Kirche und am Handeln von Geistlichen maßgeblich von enttäuschten Gläubigen ausgehe. „Es wirkt geradezu grotesk, wenn Müller angesichts der offenkundigen Unfähigkeit seiner Kirche, mit dem jahrzehntelang vertuschten weltweiten sexuellen Missbrauch durch Geistliche in redlicher Weise aufzuräumen, die Kirche in der Rolle eines unschuldigen Opfers sieht.“
Die Ursachen der Empörung zahlreicher Betroffener und Beobachter lägen im Handeln führender Bischöfe selbst, betonte Fink. „Mit seinen Vergleichen und Umdeutungen entwürdigt der Präfekt der Glaubenskongregation nicht nur die Opfer der Vergangenheit, sondern auch die noch lebenden Opfer der Missstände und Verfehlungen in der Kirche.“
Fink ermunterte die Gläubigen an der kirchlichen Basis dazu, weiter auf Reformen und auf die Aufarbeitung aller Verfehlungen ihrer Kirche zu drängen. So könnten nicht nur Frustration und Enttäuschung in konstruktive Bahnen gelenkt werden, sondern auch ein gemeinsames Wertefundament von Gläubigen und Nichtgläubigen entstehen. Aufklärung und Humanismus dürften im 21. Jahrhundert keine Fremdwörter mehr sein – auch nicht in Rom.