Zum internationalen Tag der Menschenrechte rief am Dienstag der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, in Berlin dazu auf, vermeintliche Gewissheiten zu hinterfragen: „Heute ist ein guter Tag, um uns wieder daran zu erinnern, dass kultureller Fortschritt weder Naturgesetz und auch nicht einfach zu erzwingen ist – und mitunter nicht mal erkämpft werden kann.“
Der Tag der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948, dreieinhalb Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum internationalen Gedenktag erklärt und soll die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Erinnerung rufen. In dem ausdrücklichen Bekenntnis zu universellen und nicht verhandelbaren Menschenrechten heißt es unter anderem: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
Für Humanistinnen und Humanisten ist dieser Gedenktag bedeutsam, weil er einen Anlass bietet, zentrale Prinzipien humanistischer Weltanschauung und Praxis anzusprechen und so die Grundlagen von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt thematisiert.
„Doch leider scheint es wahr zu sein, dass diese Grundlagen immer weniger praktische Bedeutung für die Menschen besitzen“, sagte Frieder Otto Wolf. Die durch den Tag angesprochenen Grundsätze würden in den Gesellschaften auf der Erde anscheinend zunehmend weniger respektiert.
Die unter dem Eindruck des Schreckens der letzten Nacht europäischer Geschichte vor 65 Jahren verabschiedete Erklärung habe eine immer geringere Bedeutung für das Denken und Tun jedenfalls der durchsetzungsmächtigen Menschen, so Wolf weiter.
„Wir müssen hier heute wirklich um nachlassende Anstrengungen bei der Frage trauern, wie sich Menschen ein friedliches, gerechtes und würdiges Zusammenleben schaffen können. Der Tag ist längst kein Feiertag, sondern ein an Rückhalt verlierender Anstoß für das konstruktiv und praktisch orientierte Erinnern an die Voraussetzungen für eine menschlichere und bessere Welt.“
An drei großen Voraussetzungen fehle es heute, damit die Menschenrechte nachhaltig verwirklicht werden können: „an einer umfassend erfahrenen, auch den Willen zu Alternativen prägenden Erfahrung des Verlusts der Menschlichkeit, wie es sie im vergangenen Jahrhundert angesichts von Holocaust und Weltkriegen gegeben hat, der Unabhängigkeit der in der Erklärung zum Ausdruck kommenden Ideen von ökonomischen Interessen; der Bereitschaft eines Großteils der Eliten, ihre Verantwortung wirklich wahr zu nehmen, womit insbesondere die Medien als wichtige Kraft neben der Politik gemeint sind.“
Die vielen toten Flüchtlinge vor Lampedusa, die wachsende Spaltung der Gesellschaften in ihren Vermögensverhältnissen und eine weltweit wieder zunehmende massive Diskriminierung von Menschen ohne Religionszugehörigkeit seien nur drei Facetten im „Spiegel einer neu untergehenden Kultur des Menschseins.“
Nichtreligiöse Menschen, an Selbstbestimmung interessierte Frauen wie auch all die Menschen ohne heterosexuelle Identität dürften nicht mehr länger auf die großen Ideen aus der Vergangenheit Europas schlicht vertrauen, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einmal Niederschlag gefunden haben, betonte Frieder Otto Wolf.
„Skepsis und Zweifel statt blindem Glauben sind für unsere Weltanschauung konstitutiv. Und davon dürfen wir nicht die Übereinkünfte ausnehmen, die wir als unverzichtbar und prägend für unsere Ideale empfinden. Zweifeln wir heute also daran, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auch wirklich einen Prozess ihrer Durchsetzung eingeleitet hat – um mit einer neuen Sichtweise und klugen Entschlossenheit für unsere humanistischen und humanitären Überzeugungen einzutreten.“