Anlässlich des Gedenktages zum Mauerfall am 9. November vor 25 Jahren hat der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, am Freitagnachmittag in Berlin auf die Bedeutung der friedlichen Revolution für den Verband und das Recht auf Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit hingewiesen. Wolf bezeichnete die überraschende Grenzöffnung als „wesentlichen Schritt auf dem Weg, die historischen Beschädigungen des organisierten Humanismus durch die beiden deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert zu überwinden.“
Die Öffnung der innerdeutschen Mauer habe den Menschen in der DDR nicht nur die Reisefreiheit zurückgebracht, sondern auch zahlreiche andere Freiheiten, „die für die Grundsätze und Praxis einer humanistischen Weltanschauung unverzichtbar sind“, so Wolf weiter. Dazu zählten unter anderem die Gewissens-, Meinungs-, und Redefreiheit sowie das Recht, sich frei und ungehindert zu versammeln und gesellschaftliche Vereinigungen zu bilden. „Der Mauerfall brachte für viele Menschen wie uns die langersehnte Freiheit von der Unterdrückung im Namen des Sozialismus, die nach Kriegsende auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzung an die Verfolgungen nicht- oder auch freireligiöser Gemeinschaften durch die Nazi-Diktatur angeknüpft hatte.“
Nach der Machtergreifung durch das Nazi-Regime im Jahr 1933 waren humanistische, freidenkerische und freireligiöse Gemeinschaften aufgelöst und ihre Vertreterinnen und Vertreter verfolgt, inhaftiert oder ermordet worden. Die damals erst wenige Jahre alte weltlich-humanistische Schulbewegung wurde binnen kurzer Zeit zerstört, Jugendweihe-Feiern verboten und es kam zu umfassenden Enteignungen. (siehe dazu: http://www.zerstoerte-vielfalt-humanismus.de/) In der nach Kriegsende entstandenen DDR blieb die freie Bildung weltanschaulicher Gemeinschaften untersagt. Die bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Jugendweihe wurde später von der sozialistischen Staatsführung instrumentalisiert und für politische Zwecke missbraucht. Nach dem Untergang der DDR und der deutschen Wiedervereinigung wurde der Humanistische Verband Deutschlands im Januar 1993 gegründet, um an die Traditionen, Ideen und Ziele der humanistisch-freigeistigen Verbände anzuknüpfen und sie zu beleben.
Frieder Otto Wolf sagte weiter, dass ohne den von einer „breiten Bürgerbewegung erkämpften Mauerfall die bisherige Entwicklung des Verbandes wenig wahrscheinlich gewesen wäre.“ Erst die dadurch ausgelöste Wiedervereinigung habe „Humanistinnen und Humanisten aus allen Teilen Deutschlands dazu inspirieren und ermutigen können, sich in der wiedergewonnenen Freiheit und unter dem Dach unseres Verbandes eine gemeinsame Zukunft zu suchen, und ihre Aktivitäten und Arbeitsfelder auch praktisch neu zu entwickeln. Nicht zuletzt mit dem Wunsch, um als Organisation eine Ansprechpartnerin und Vertreterin von Menschen ohne religiöse Überzeugungen gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik tätig zu sein.“
Und trotz vieler positiver Entwicklungen seien auch ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall die Beschädigungen aus der deutschen Geschichte noch nicht überwunden, betonte Wolf. Dazu trügen „auch die zahlreichen systematischen Benachteiligungen bei, mit denen nichtreligiöse Menschen traditionell auch in der Bundesrepublik konfrontiert sind, etwa durch die diskriminierenden Ausnahmeregelungen des kirchlichen Arbeitsrechts, bei der Berücksichtigung in öffentlichen Gremien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder dem Recht, einen zu den verschiedenen Religionsunterrichten gleichberechtigten eigenen wertebildenden Unterricht in Schulen anzubieten.“
Um dem Fall der innerdeutschen Mauer zu gedenken, werden sich unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des Humanistischen Verbandes am Wochenende in Berlin an der Lichtinstallation „Lichtgrenze“ beteiligen. Dabei werden auf 15 Kilometern 8.000 weiße Ballons den ehemaligen Mauerverlauf beleuchten, die von „Lichterpaten“ getragen und am Abend in den Himmel entlassen werden.