Stellungnahme des HVD-Bundesvorstandes zur Gründung des Zentralrats der Konfessionsfreien

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Erwin Kress

Vorstandssprecher des Bundesverbandes

Die Gruppe der konfessionsfreien Menschen in Deutschland ist äußerst divers. Den durch den "Zentralrat der Konfessionsfreien" erklärten, weitreichenden Vertretungsanspruch betrachtet der HVD-Bundesvorstand als unangemessen.
Die Gruppe der konfessionsfreien Menschen in Deutschland ist äußerst divers. Den durch den "Zentralrat der Konfessionsfreien" erklärten, weitreichenden Vertretungsanspruch betrachtet der HVD-Bundesvorstand als unangemessen.

Beitragsbild: Mike PD | CC BY-NC 2.0 Generic

Am 19. September 2021 hat sich der bisherige Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) eine neue Satzung gegeben und sich in „Zentralrat der Konfessionsfreien“ umbenannt. Der Bundesvorstand des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD) erklärt hierzu, dass er den von diesem Zentralrat erklärten weitreichenden Vertretungsanspruch als unangemessen betrachtet. Der HVD sieht damit einen wesentlichen Grund für seinen Rückzug aus dem KORSO im Frühjahr dieses Jahres bestätigt.

In einem hpd-Interview vom 24. September 2021 bestätigt der KORSO-Vorsitzende Rainer Rosenzweig, dass der Zentralrat die Interessen aller konfessionsfreien Menschen in Deutschland vertreten wolle. Dies ist ein nicht einzulösender Anspruch.

Säkulare Organisationen, die in einer religionskritischen Tradition stehen, haben schon immer gerne die Vertretung der Interessen konfessionsfreier Menschen für sich vereinnahmt. Auch der HVD hat diesen Anspruch in der Vergangenheit erhoben, hat aber in seiner letzten Satzungsreform diesen Vertretungsanspruch eingeschränkt: „Der Bundesverband tritt für die Interessen und Rechte seiner Mitgliedsorganisationen sowie jener konfessionsfreien Menschen in Deutschland ein, die zentrale Prinzipien des humanistischen Bekenntnisses für sich anerkennen (Bekenntniszugehörige).“ (Satzung 2020)

Wenn der Zentralrat „riesige Zustimmungswerte zu unseren Überzeugungen“ konstatiert, „die weit über die 40 Prozent der Konfessionsfreien hinausgehen“, schmückt er sich mit fremden Federn. In den von ihm beispielhaft benannten „Fragen der Kirchenfinanzen, des Schwangerschaftsabbruchs, des Religionsunterrichts oder der Selbstbestimmung am Lebensende“ gibt es in Deutschland jedoch keine Interessenteilung zwischen konfessionsgebundenen und konfessionsfreien Menschen. Hinsichtlich der Frage der Selbstbestimmung am Lebensende wissen wir, dass sich seit vielen Jahren ca. 70 Prozent der Befragten für das Recht einsetzen, im Notfall auf Hilfe zur Selbsttötung zurückgreifen zu dürfen. Auch die meisten religiösen Menschen nehmen dies für sich in Anspruch. Sonst wäre der Prozentsatz nicht zu begründen. Ähnlich sieht es beim Thema Schwangerschaftsabbruch aus, wo sich eine überwältigende Mehrheit aller Frauen für eine Liberalisierung ausspricht. Wie diese Liberalisierung konkret aussehen könnte (Stichwort: Fristenlösung), darüber gehen die Meinungen dann wiederum auseinander – unter konfessionell gebundenen wie konfessionsfreien Frauen. Hierzu müssen aber im Detail konkrete Vorschläge formuliert werden, damit politische Wirkung erzielt und der Entscheidungsprozess mitgestaltet werden kann. Ohne diese Konkretisierung stehen große Zustimmungswerte auf tönernen Füßen und sind kaum belastbar.

Beim Religionsunterricht gibt es viele Überlegungen zur Zukunft des bekenntnisgebundenen Unterrichtes. Von einheitlichen Interessen kann dabei nicht einmal unter Konfessionsfreien die Rede sein. Während viele säkulare Aktivist*innen jeglichen Religions- und Weltanschauungsunterricht aus der Schule verbannen wollen, entscheiden sich in Berlin die Eltern von über 70.000 Schülerinnen und Schülern freiwillig für den Unterricht in Humanistischer Lebenskunde, einem weltanschaulichen Angebot des HVD.

Einheit ist gut, aber Einheit muss auf Klarheit basieren. Wir werden sicher an verschiedenen Stellen an einem Strang mit dem Zentralrat der Konfessionsfreien ziehen. Wenn wir ein gleiches Ziel verfolgen, ist das gut so. Wir werden aber auch weiterhin unsere eigenen Wege gehen und Bündnisse so schmieden, wie sie sich aus der humanistischen Sache ergeben. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein Zentralrat nur für die sprechen kann, die ihm das Mandat hierfür erteilt haben. Die potenzielle Stärke einer Struktur „Zentralrat“ wird sich zweifelsohne nicht aus dem neuen Namen selbst ergeben, sondern wird sich darüber entscheiden, wie substanziell, mehrheitsfähig und politikfähig die von ihm vertretenen Positionen sind.

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