PID-Verordnung ist klar auf Bedürfnisse von Eltern auszurichten

HVD setzt Schwerpunkt auf umfassende Ausgestaltung der medizinischen, ethischen und psychosozialen Beratung.

Der Deutsche Bundestag hat am 7. Juli 2011 mit seiner Entscheidung über die Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) gemäß dem von den Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte und Jerzy Montag vorgelegten Regelungsentwurf ein deutliches Zeichen gesetzt. Die vom Parlament getroffene und auch vom HVD unterstützte Entscheidung zeigt, dass bei der künftigen Anwendungspraxis der PID die individuellen Interessen und Bedürfnisse von Eltern maßgeblich sein sollen. Diesem klaren Signal muss auch die noch zu beschließende Verordnung zur Anwendung der PID in Deutschland gerecht werden.

Das Gesetz sieht als Voraussetzung für die Bewilligung von Anträgen auf eine Anwendung der PID unter anderem das positive Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission vor. Aus Sicht des HVD muss deshalb in der kommenden Verordnung sichergestellt sein, dass die Rolle und Zusammensetzung der Ethikkommission bei der PID-Regelung nicht zur Hintertür für die Befürworter eines vollständigen Verbots der PID in Deutschland wird. So kann es nicht in Frage kommen, dass die beiden Amtskirchen explizit ihre Repräsentanten in die zu bildende Kommission entsenden dürfen.

„Sowohl die Beschlüsse des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, jedoch vor allem die Bischöfe der katholischen Kirche haben im Vorfeld der Bundestagsentscheidung deutlich gemacht, wie sie zu einer PID-Zulassung und auch der Frage selbstständiger Entscheidungen mündiger Eltern stehen. Obwohl wir die differenzierten und leidenschaftlichen Plädoyers christlicher Politikerinnen und Politiker für die nun vorläufig beschlossene Regelung wahrgenommen haben und diese im Sinne der Humanität ausdrücklich begrüßen, ist die Befürwortung einer vollständigen Ablehnung der PID die offizielle Position der zwei Kirchen“, stellte HVD-Präsident Prof. Frieder Otto Wolf fest. Eine Einbindung von diesen Kirchen entsandter Vertreter in die zu bildende Ethikkommission widerspräche der klaren Richtungsanzeige des Parlamentsbeschlusses. Der HVD weist daraufhin, dass auch der Parlamentsbeschluss nur knapp im Einklang mit den Ansichten der Menschen in Deutschland steht, bei denen es laut einer jüngeren Umfrage der Universität Düsseldorf sogar für eine weitgehende Zulassung der PID hohe Zustimmungswerte gab.

„Die Entsendung von offiziellen Kirchenvertretern wäre auch logisch nicht folgerichtig. Denn solche Mitglieder der Ethikkommission hätten ausschließlich die Wahl, im Widerspruch zur beschlossenen Position ihrer Kirchen stehende Urteile zu treffen oder konsequent für die Ablehnung von Anträgen zu votieren. Für die differenzierte Einzelfallbeurteilung in einer Ethikkommission ist das kaum eine taugliche Ausgangsbasis“, so Wolf weiter. Im Übrigen beurteilt der HVD als Interessenvertretung von konfessionsfreien Menschen die überkommen einseitige Einbeziehung von Vertretern spezifischer Religionen, wie sie sich etwa in der Privilegierung bei der Besetzung des Deutschen Ethikrates oder auch bei Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigt, als überholt und diskriminierend.

Der künftigen Ethikkommission kann jedenfalls nicht die Aufgabe zukommen, in ihrer Entscheidungsfindung religiös fundierte oder von irrationaler Angst geprägte Positionen zu verteidigen. „Menschen, welche die PID aufgrund ihres Glaubens ablehnen, kommen ohnehin nicht in Kontakt mit der Ethikkommission. Und auch nach der jüngsten Bundestagsentscheidung steht es allen Gläubigen weiterhin zu, die PID für sich persönlich nicht in Anspruch zu nehmen. Das ist bei der Verordnung über das PID-Verfahren wie auch schon im vorhergehenden Gesetzgebungsprozess unbedingt zu berücksichtigen.“

Politikerinnen und Politiker sollten ebenfalls nicht in den ausgeprägten Paternalismus zurückfallen, von dem die Forderung nach einem totalen Verbot der PID-Anwendung gekennzeichnet war. Aufgabe der Ethikkommission wird schließlich sein, Urteile über die Anträge derjenigen Menschen zu treffen, die in ihre Entscheidung für eigenen Nachwuchs eine Anwendung der PID einschließen wollen. Daher ist es richtig, erfahrene Ärzte und Philosophen in die Kommission einzubeziehen. „Die Urteilskraft von Experten im Bereich medizinischer und ethischer Fragestellungen ist bedeutend, wenn Entscheidungen mit großer Tragweite für Eltern oder Familien getroffen werden sollen. Das zeigte unter anderem die Stellungnahme der CDU-Ministerin und promovierten Medizinerin Ursula von der Leyen, als sie sich im Parlament für die letztlich beschlossene Regelung eingesetzt hat“, so Frieder Otto Wolf.

Auch die Forderung nach einer Berücksichtigung der wichtigen Erfahrungswerte von Menschen mit Behinderung oder die Expertise aus dem Pflege- und Lebenshilfebetrieb kann deshalb vom HVD unterstützt werden. Wolf: „Die Erlebnisse und Beobachtungen von Menschen, welche die Hürden und auch die Chancen in einem Leben mit Behinderung am eigenen Leib erfahren haben, sollten nicht pauschal ausgeklammert werden. Sie könnten wertvolle Perspektiven für die Entscheidungsfindung liefern.“

Im Vordergrund von Debatten über eine künftige Verordnung zur PID-Anwendung muss aus Sicht des HVD in jedem Fall die Tatsache stehen, dass den Interessen der Eltern die herausgehobene Rolle zukommt. Der Humanistische Verband hält es daher vor allem für geboten, künftig einen besonderen Schwerpunkt auf die umfassende Ausgestaltung der medizinischen und psychosozialen Beratung im Vorfeld dieser persönlichen Entscheidung zu legen. Die künftige Ethikkommission sieht der HVD in erster Linie als Gremium, dass die ergebnisoffene und kompetente Beratung der PID-willigen Menschen prüft, unterstützt und fördert.

„Für uns ist die Fähigkeit zur Selbstbestimmung ein zentrales Motiv in der Frage, wie sich Menschen entscheiden sollten. Wir sehen daher vor allem die ausführliche und an der Wirklichkeit orientierte Aufklärung und Information betroffener Eltern über tatsächliche Möglichkeiten, Erfolgsaussichten und auch Belastungen einer PID als herausgehobenes Element vor jeder Entscheidung für oder gegen diese Maßnahme“, erklärt Frieder Otto Wolf.

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