„Ein klarer Widerspruch zum humanistischen Menschenbild“

„Chancenspiegel“: Erschütterndes Zeugnis für eingeschränkte Kompetenzentwicklung und unzureichende Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungswesen.

„In unserem Bildungssystem sollten alle Heranwachsenden beste Förderung erfahren, um ihre individuellen Ressourcen umfassend entwickeln zu können. Die deutlich gewordenen Einschränkungen in den Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen sind nicht zu akzeptieren.“

Das sagte Ines Scheibe aus dem Präsidium des Humanistischen Verbandes Deutschlands am Sonntag zu dem vor einer Woche veröffentlichten „Chancenspiegel“ der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund

Der erstmals veröffentlichte Chancenspiegel zeigte, dass die Schulsysteme in keinem deutschen Bundesland gleichermaßen verlässlich Integrationskraft, soziale Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und eine Kontinuität von Bildungschancen zu gewährleisten im Stande sind. Die Studie stellte im Vorwort auch fest, dass gute Bildung nicht nur der Schlüssel zu individuellem Erfolg, sondern ebenfalls für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Sie offenbarte unter anderem, dass in allen Regionen der Bildungserfolg und damit die Basis zur positiven Teilhabe und Teilnahme an der Gesellschaft weiterhin maßgeblich von der sozialen Herkunft abhängig sind.

„Die in vielen Gegenden festzustellende Lage verschärfter Ungleichheit und sozialer Diskriminierung gerade von Kindern und Jugendlichen steht in einem klaren Widerspruch zu unserem humanistischen Menschenbild. Denn unter Anerkennung der großen Vielfalt menschlicher Talente und Entfaltungspotentiale fordert es insbesondere für Kinder und Heranwachsende sowohl gleiche wie gerechte und nachhaltige Chancen als Grundbedingung eines zivilisierten Gemeinwesens“, so Scheibe.

„Das Schulsystem sollte zudem kein Filtersystem zur Bestimmung und Verstärkung der zwischen den Heranwachsenden vorhandenen Leistungsunterschiede sein, sondern eher ein Katalysator für die Entwicklung aller unterschiedlichen Potentiale, mit dem Ziel von positiver Teilhabe wie Teilnahme beim Erhalt und der Weiterentwicklung der menschlichen Kultur.“

Alle Schülerinnen und Schüler im deutschen Bildungswesen sollten dabei geschützt werden vor tradierten Vorstellungen einer gegebenen und erblichen sozialen Hierarchie, denen gemäß die Bildungschancen Heranwachsender maßgeblich vom sozialen und ökonomischen Erfolg ihrer Eltern abhängig bleiben dürfen.

Schließlich verwies Ines Scheibe darauf, dass die Lage der Bildungssysteme jetzt nicht isoliert betrachtet werden dürfte. „Ein Erfolg in der Schule ist immer auch abhängig von den Lebensperspektiven, die die Lernenden ebenso wie ihre Eltern damit verbinden können. Wer dabei einen nüchternen Blick auf die bizarr weit auseinanderklaffenden Wohlstandsverhältnisse wie auch die zweifelhaften Idole unserer gesellschaftlichen Gegenwart wirft, muss sich über die umfassenden negativen Effekte auf die Motive junger Menschen nicht groß wundern. Wenn schulische Bildung als zentraler Schlüssel zu einer selbstbestimmten, Zufriedenheit sichernden und sinnstiftenden Lebensgestaltung empfunden werden könnte, würden sich verbleibende Defizite im Schulsystem vermutlich weniger gravierend auswirken.“

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