Der vom Kabinett der Bundesregierung beschlossene Gesetzesentwurf zur Regelung der Beschneidung von Jungen wird einen schweren Schaden im Recht der Bundesrepublik Deutschland anrichten. Das hat Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Mittwochabend in Berlin erklärt.
Es müsse besonnene und informierte Menschen in Deutschland schockieren, wie willfährig sich die Regierung aus CDU/CSU und FDP den Forderungen von einigen Vertretern der Religionsgemeinschaften untergeordnet und die Argumente unzähliger Verteidiger von Rechten der Kinder und des säkularen Rechtsstaates übergangen hat.
„Es ist eine Sache, zu erkennen, dass einer bislang kaum hinterfragten und kulturell identitätsstiftenden Praxis mit abrupten Verboten nicht überzeugend zu begegnen ist“, so Wolf. „Die bei der Beschneidung von Jungen neu aufgeworfene Problemlage ist aber auf keinen Fall angemessen zu lösen, in dem sich Regierung und Gesetzgeber einfach dem Druck von Vertretern der Religionen in unserem Land beugen.“
Frieder Otto Wolf betonte, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dem geplanten Gesetz nicht zustimmen sollten. „Wenn der Bundestag das Gesetz tatsächlich ebenso unkritisch durchwinken sollte, wie es die Regierung getan hat, werden Jahrzehnte eines kulturellen und gesetzgeberischen Fortschritts aufgegeben.“
Nicht ein guter Grund sei zu sehen, weshalb dieses Gesetz jetzt verabschiedet werden muss. „Jahrzehntelang war es nicht nötig und für die neu entstandene Kontroverse ist es keine Lösung, die von der Mehrheit der Menschen in unserem Land gewollt ist. Sie brauchen dieses Gesetz nicht.“
Wählerinnen und Wähler, welche die individuellen Grundrechte der Kinder und das Recht von Eltern auf die Erziehung respektieren sowie Verständnis für die Kontroverse um die Jungenbeschneidung entwickelt haben, müssten sich vor der Verabschiedung nun direkt bei den Abgeordneten des Bundestages für eine Ablehnung des Gesetzes und für eine Fortführung eines wissenschaftlich fundierten Dialogs unter Einbeziehung von Angehörigen betroffener Gemeinschaften und Kinderrechtsorganisationen stark machen.
Wolf plädierte außerdem erneut für einen Verzicht auf schrille Rhetorik, wie sie in den Monaten seit Bekanntwerden des Urteils des Landgerichts Köln auf allen Seiten zu finden gewesen ist.
„Es muss stets unmissverständlich erkennbar sein, dass die Frage nach der Rechtfertigung der Jungenbeschneidung ein fundamentales Dilemma zwischen ihrer religiösen Praxis und unserem Rechtsverständnis aufwirft, das wir einem rationalen, sorgfältigen und achtsamen Diskurs nicht zu entziehen bereit sind.“
Weiterführende Informationen
1. Pressemitteilung des Bundesverbandes vom 28. Juni 2012: HVD begrüßt neue Debatte über grundsätzliche Fragen
2. Pressemitteilung des Bundesverbandes vom 18. Juli 2012: „Chancen zur redlichen Diskussion schaffen“
3. Pressemitteilung des Bundesverbandes vom 27. September 2012: Eckpunktepapier nicht zur Entschärfung der Debatte geeignet