„Ein verbindendes Kulturverständnis entsteht nicht durch repressive Auflagen oder nicht nachvollziehbare Einschränkungen“, hat Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Donnerstag in Berlin betont.
Anlass war die Kritik des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider an den Protesten gegen die in vielen Bundesländern geltenden Tanzverbote zu den christlichen Feiertagen. Schneider verteidigte in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst die Tanzverbote. „Seid Ihr so hemmungslose Egoisten, dass es nur darauf ankommt, das durchzusetzen, worauf Ihr gerade Lust habt?“, so der EKD-Ratsvorsitzende in einer Frage an die Unterstützer der Proteste. Er forderte mehr Rücksichtnahme für den christlichen Karfreitag, der bislang mit Hilfe von staatlichen Gesetzen vielerorts als sogenannter stiller Feiertag tradiert wird.
Frieder Otto Wolf begrüßte die Feststellung des Ratsvorsitzenden, dass die Möglichkeit zur Feier kirchlicher Gottesdienste nicht von einem gesetzlichen Feiertagsschutz abhängt. Prinzipiell sei es auch aus humanistischer Perspektive richtig und sinnvoll, wenn sich die Menschen in der Gesellschaft mit den Fragen des Sterbens und der eigenen Endlichkeit beschäftigen, sie Momente der Konzentration und Stille erfahren könnten.
Umfassende Gestaltungsansprüche könnten die christlichen Kirchen bei den Fragen der Umsetzung aber nicht einfach so ableiten, betonte Wolf mit Verweis auf den neuen weltanschaulichen Pluralismus in vielen Regionen. Zudem müsse man sehen, dass auch viele Kirchenmitglieder den mit einem christlichen Bekenntnis verbundenen Bräuchen nicht mehr oder nur noch sehr bedingt und ganz individuell bestimmt nachkommen.
„Es stellt sich deshalb ja gerade für die Gegner von gesetzlichen Einschränkungen die Frage, warum die Kirchen an diesen Tagen immer noch ihre Religiosität mit Hilfe von Gesetzen so aufspreizen können, dass keiner daran vorbeikommt“, sagte Wolf.
Er erinnerte, dass mit der überwiegend christlich geprägten Feiertagskultur nicht nur einige Atheisten oder Kirchenkritiker konfrontiert seien, sondern auch die Angehörigen vieler weiterer Konfessionen mit abweichenden religiösen Feiertagen.
„Und da wo immer mehr Menschen den Bezug zu den religiösen Überzeugungen, wie sie der Ratsvorsitzende im Interview ausgeführt hatte, verloren haben, wird die offene Diskussion über die Formen der staatlichen Förderung von öffentlicher Gedenk- und Feiertagskultur überfällig. Das ist ein ganz normaler Vorgang.“
Dies sollte daher auch vom EKD-Ratsvorsitzenden Schneider als Chance begriffen werden, sich konstruktiv in die Debatte darüber einzubringen, was das Kulturverständnis der Menschen in Deutschland heute ausmacht und was sie tatsächlich verbinden kann. „Die bloße Empörung über Proteste gegen fragwürdige Einschränkungen genügt da nicht. Den gesellschaftlichen Respekt für die religiösen Bedürfnisse kann man offenbar nicht mehr einfach durch Gesetze festlegen. Man muss ihn sich verdienen.“