„Ich fürchte, die vielen Toten vor den Grenzen der Europäischen Union werden weiterhin weniger ein Anstoß für Veränderungen, sondern vor allem ein Medienereignis bleiben“, sagte Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Montagabend mit Blick auf die Reaktionen auf das Kentern eines Flüchtlingsschiffes mit mehreren hundert Passagieren auf der Flucht nach Europa. Wolf sagte weiter, vor Lampedusa habe „eine von Menschen gemachte Katastrophe mit Ankündigung ihren neuerlichen Tiefpunkt gefunden.“
Dabei seien die Stellungnahmen aus den Kirchen zwar zu begrüßen, jedoch „nicht genügend mit Blick auf die Hintergründe vieler schnell wachsender Bevölkerungen in afrikanischen Ländern“. Wer die Arbeit von internationalen Organisationen zur Förderung der Möglichkeit zur Familienplanung sabotiere, trage eine Mitschuld an Zuständen, vor denen Menschen flüchten.
Er erinnerte, dass es auf keinem der anderen Kontinente so viel menschliches Leid und Elend gebe, welches seine vielfältigen Quellen im „verantwortungslosen und blinden Handeln mit europäischen Ursprung hat.“ Doch da tatsächlich Wege und Chancen vorhanden seien, „die Flüchtlingszahlen so zu verringern, dass auch die existierende Abschottung unnötig wird, repräsentieren diese Toten vor allem die Unfähigkeit unserer politischen Eliten. Wenn die Menschen in Afrika eine Hoffnung in ein gutes Leben in ihrer Heimat setzen könnten, dann würden vor unseren Grenzen weniger ihr Leben verlieren.“
Frieder Otto Wolf machte seine Skepsis darüber deutlich, dass es hier in naher Zukunft zu dem notwendigen Konsens aller Verantwortung tragenden Menschen kommen werde. „Aus einer historischen Perspektive steht da zwar die Ehre unserer Zivilisation auf dem Spiel, doch kaum jemandem scheint das bewusst zu sein. In einigen Kreisen Europas wird das massenhafte, stille Sterben von Menschen anscheinend wieder akzeptiert. Ich sehe zu wenig, was auf wirkliche Änderungen hindeutet.“
Die Trauer von Humanistinnen und Humanisten umfasse somit nicht nur bereits verlorene Leben. „Wir müssen ja heute nicht nur um die bisherigen Toten, sondern auch die vielen Menschen trauern, welche in Zukunft ihr Leben zwischen den Klippen unserer europäischen Ungerechtigkeit und Ignoranz verlieren werden.“
Und auch wenn es für ihn „menschlich nachvollziehbar ist, wenn wir da manchmal ein Gefühl der Machtlosigkeit haben, dürfen wir uns dem nicht hingeben. Tatsächlich machtlos sind ja nur die, die nicht an ihre Möglichkeiten, zu einer Verbesserung beitragen zu können, glauben.“