„Die relativ knappe Erklärung betont zwar zu Recht, dass zur besseren Suizidprävention ein Ausbau von Beratungsangeboten und eine Weiterbildung von Mitarbeitern in der Pflege und der medizinischen Versorgung notwendig sind“, so Erwin Kress. Hinsichtlich eines strafrechtlichen Verbotes der Suizidbeihilfe habe der Ethikrat seine bereits 2012 geäußerte Position, „dass ein gesetzliches Verbot ausschließlich der gewerbsmäßig organisierten, also der kommerziell betriebenen Suizidbeihilfe mehr Probleme schafft als löst“, bekräftigt.
„Die Mehrheit des Ethikrates verfolgt damit aber keine freiheitliche Linie, sondern will den Verbotsbereich ausweiten, obwohl dadurch nicht weniger Probleme geschaffen als gelöst werden“, so Erwin Kress weiter. Denn es sollten „nach Auffassung der Mehrheit des Ethikrates Suizidbeihilfe sowie ausdrückliche Angebote dafür untersagt werden, wenn sie auf Wiederholung angelegt sind, öffentlich erfolgen und damit den Anschein einer sozialen Normalität ihrer Praxis hervorrufen könnten.“ Dies diene „dem Schutz sozialer Normen und Überzeugungen, in denen sich der gebotene besondere Respekt vor dem menschlichen Leben widerspiegelt“.
„Mit Normen und Überzeugungen sind hier offensichtlich christlich-dogmatische Vorstellungen gemeint, die eine Selbstbestimmung über das eigene Leben nicht zulassen wollen. Da im Deutschen Ethikrat viele Vertreter des organisierten Christentums einen Platz haben, wundert diese Mehrheitshaltung nicht“, sagte Kress dazu.
Die in der Ad-hoc-Empfehlung vertretene Haltung will auch „fremdbestimmender Einflussnahme in Situationen prekärer Selbstbestimmung“ vorbeugen. Erwin Kress: „Die Begriffsschöpfung ‚prekäre Selbstbestimmung‘ zielt wohl auf Situationen, in denen Menschen durch Pflegekosten unter Druck geraten könnten. Da wäre es freilich besser, durch finanzielles und gesellschaftliches Engagement solchen Druck von den Menschen zu nehmen, statt ihnen die freie Entscheidung über eine Lebensbeendigung zu erschweren.“
Auch die durch den Deutschen Ethikrat vertretene Position, es könne „die Anstrengungen der Suizidprävention unterlaufen, wenn eine Beihilfe den Charakter einer gesellschaftlich akzeptierten Üblichkeit erhielte“, sei aus der Sicht von HVD-Vizepräsident Kress „eine dem Ethikrat nicht angemessene Luftnummer. Das Beispiel Schweiz zeigt, dass Suizidprävention und eine gesellschaftlich akzeptierte ‚Freitodhilfe’ sehr gut Hand in Hand gehen können.“
Der Wille der Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschlands finde sich in diesen Positionen des Ethikrates nicht wieder, betonte Kress abschließend. „Hier wird vielmehr eine Linie abgesegnet, die wir bereits von den Kirchen, der Politik von Herrn Minister Gröhe und der parlamentarischen Unionsmehrheit kennen: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Zum Thema
Humanistische Positionen und Argumente zur Debatte um den assistierten Suizid haben drei profilierte Autoren des Humanistischen Verbandes Deutschlands in der Broschüre Am Ende des Weges vorgelegt. Sie plädieren nicht nur – unter bestimmten Voraussetzungen – für die kontrollierte Ermöglichung ärztlicher Hilfe beim Sterben, sondern auch für die Einführung einer qualifizierten Suizidkonfliktberatung, um Selbsttötungen vorzubeugen.
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