Fördern Glaube und Religion den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Oder schüren sie im Gegenteil Konflikte und Unfrieden in unserem Land? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Bürgerdialogs in Leipzig. Rund 150 Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung des Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière gefolgt, um über die Bedeutung von Religion für unser Zusammenleben zu diskutieren.
Der Bürgerdialog ist Teil der Werkstattreihe mit dem Titel Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration – #gemeinsam für ein starkes Deutschland, in deren Rahmen der Bundesinnenminister offen und konstruktiv aktuelle gesellschaftspolitische Themen ansprechen möchte.
An die Begrüßung durch Bundesinnenminister de Maizière schloss sich eine Podiumsdiskussion an. „Die Zuneigung zu Kirchen hat abgenommen, die Abneigung gegen Islam oder Kirchen hat zugenommen“, sagte de Maizière zum Auftakt der Diskussion, und fragte, wo die Distanz und Abneigung gegenüber Religion herrührten. Neben Thomas de Maizère und Frieder Otto Wolf auf dem Podium: Gesa S. Ederberg, Rabbinerin in Berlin, und Dagmar Mensink, katholische Theologin, sowie Hamideh Mohagheghi, Wissenschaftlerin an der Universität Paderborn für Islamische und Komparative Theologie.
HVD-Präsident Wolf betonte in Leipzig, dass Menschen nicht so auf Religion angewiesen sind, wie es vielfach in der (politischen) Öffentlichkeit dargestellt werde. Aus Sicht moderner Humanistinnen und Humanisten können Menschen ihr Leben auch ganz ohne religiöse Vorstellungen mit ethisch fundierter Lebensauffassung führen und sinnvoll gestalten. Wichtig dafür ist „Vertrauen in uns und die Gemeinschaft“, zudem kann auch individuelle Freiheit nur in sozialer Verantwortung sinnvoll gelebt werden, so Wolf.
Religion sei zwar nicht „per se schädlich“, sagte Frieder Otto Wolf außerdem. Es müsse hier viel mehr unterschieden werden zwischen aufgeklärten und nicht aufgeklärten Religionen ebenso wie zwischen Menschen, die eine aufgeklärte Religiosität leben und denen, deren Religiosität und religiöse Praxis sich als ungenügend informiert und reflektiert darstellen. Probleme gebe es auf Seiten aller Glaubensrichtungen, aber auch Atheisten seien nicht per se aufgeklärt. In jedem Fall müssten alle Religionsgemeinschaften die Menschenrechte respektieren, und religiöser Glaube dürfe niemandem „zugemutet“ oder gar eingefordert werden.
Frieder Otto Wolf sagte weiter, er sähe heute zwar keine große Dominanz der Kirchen in Deutschland mehr, wie es diese in früheren Jahrhunderten gegeben hat. Doch in einigen Bereichen besteht immer noch dringender Bedarf an einer stärkeren Trennung zwischen staatlichen und religiösen Institutionen, um den Interessen und Rechten der rasch wachsenden Zahl konfessionsfreier und religionsferner Menschen Rechnung zu tragen – aber auch, um generell ein gleichberechtigtes Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger ohne Ansehen ihres Bekenntnisses dauerhaft zu gewährleisten.
Weltanschauliche Neutralität und konsequente Gleichbehandlung staatlicherseits bezeichnete er als einen wichtigen Teil von zeitgemäßer Religionspolitik, die aus humanistischer Sicht der gewachsenen weltanschaulichen Vielfalt einschließlich immer mehr nichtreligiöser Menschen in der Bundesrepublik gerecht werden kann. Auf dem Weg dahin müssten aber noch viele politische und auch gesetzliche Reformen bewältigt werden, so der HVD-Präsident. „Da werden wir dranbleiben und sehen auch bei uns weiter die Aufgabe, sich entsprechend zu organisieren“, so Wolf.