Als einen „Akt von hohem symbolischen Wert nicht nur für die beteiligten Religionsgemeinschaften und ein klares Signal für konfessionsfreie Menschen“, bezeichnete Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, am Mittwoch in Berlin die gestrige Unterzeichnung von Verträgen der Hansestadt Hamburg mit islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften.
Der Vertrag bestätigt den Verbänden verfassungsrechtlich und gesetzlich garantierte Rechte und Pflichten, verleiht mehreren religiösen Feiertagen den Status kirchlicher Feiertage, sichert eine Beteiligung am Religionsunterricht zu und verspricht die Förderung einer Ausbildungsstätte für islamische Theologie und Religionspädagogik. Auch über den Zugang und die Beteiligung bei den Themen Seelsorge, öffentlicher Rundfunk und dem Bestattungswesen gibt es Vereinbarungen.
„Es wird sicherlich auch in Zukunft immer noch richtig sein, grundsätzlich zu fragen, inwieweit es eine Aufgabe des Staates sein soll, Verträge mit einzelnen Konfessionsgemeinschaften zu schließen“, so Frieder Otto Wolf weiter.
Er betonte seine Hoffnung, dass die durch die Verträge angestrebten integrativen Effekte tatsächlich eintreten werden. „Ich würde es jedenfalls begrüßen, wenn in Zukunft auf eine nachhaltige Weise frühere weltanschauliche Privilegierungen durch eine moderne Pluralität abgelöst werden, wie sie einer kulturell offenen Gesellschaft entspricht.“
Konfessionsfreie Menschen müssten sich anlässlich der Vertragsunterzeichnung erneut aufgefordert sehen, auch für sich als zunehmend wichtige Komponente von öffentlicher Kultur in Deutschland angemessene, eigene Wege zur Beteiligung und Sicherung der gemeinsamen Interessen in weltanschaulicher oder politischer Hinsicht zu suchen.
„Als eine Organisation, die täglich für einen praktischen und säkularen Humanismus eintritt, handeln wir aufgrund unserer Einsicht, dass gute Ideen in den modernen Gesellschaften immer auch einer Form von Organisation bedürfen. Die Vertragsunterzeichnung mit den islamischen und alevitischen Gemeinden in Hamburg macht deutlich, dass auch an der Existenz derartiger zivilgesellschaftlicher Organisationen mit weltanschaulichen Inhalten ein öffentliches Interesse besteht.“
Konfessionsfreie, nichtreligiöse und humanistisch denkende Menschen sollten sich weiter klar darüber werden, dass ihre Gemeinsamkeit, jedenfalls in der verfassungsrechtlich geregelten Logik der gesellschaftlichen Öffentlichkeit, in einem weltanschaulichen Anliegen besteht. Sie müssen daher konsequent ebenfalls einfordern, dass auch für sie vergleichbare Grundlagen für eine Beteiligung und Einbeziehung in den durch diese Verträgen angesprochenen Themenbereichen geschaffen werden.
„Die eigenen Interessen und Bedürfnisse dieser Menschen können überhaupt nur angemessen berücksichtigt werden, wenn die Abkehr von den staatskirchenrechtlichen Regelungen vollzogen wird, wie sie einst unter dem Eindruck stark dominierender christlicher Kirchen und im Ausgang von einem Bündnis von ‚Thron und Altar‘ entwickelt worden sind“, sagte Wolf dazu.
Gerade Humanistinnen und Humanisten müssten sich durch weltanschauungspolitische Öffnungen zunehmend dazu herausgefordert sehen, in überzeugender Weise für die eigenen Positionen einzutreten. Ziel sollte sein, eine wirkliche Gleichberechtigung als eine Weltanschauungsgemeinschaft ohne Dogma und zugleich als ein engagierter Teil der modernen Zivilgesellschaft zu suchen.
„Der in der gesellschaftlichen Praxis konsequent für humanistische und aufklärerische Prinzipien steht und dazu über parteipolitische, soziokulturelle und sozialstrukturelle Differenzen hinweg immer wieder elementare gemeinsame Forderungen artikuliert und für sie eintritt. Hier haben die organisierten Humanistinnen und Humanisten in Deutschland wie auch Europa zunehmend große Aufgaben zu bewältigen.“