„Diesem Vorstoß können wir uns nur in einzelnen Aspekten anschließen“, sagte Gita Neumann, Leiterin der Bundeszentralstelle Patientenverfügung und Sprecherin des Humanistischen Verbandes Deutschlands zum Thema Autonomie am Lebensende, am Dienstagnachmittag in Berlin. Sie sieht den heute in München vorgelegten Gesetzentwurf mit stark gemischten Gefühlen. Denn dabei handele sich „einerseits um einen wichtigen Vorstoß zur speziellen ärztlichen Suizidassistenz, andererseits ist die damit vorausgesetzte allgemeine Kriminalisierung der Suizidhilfe inakzeptabel.“
Die nun vorgestellten Regelungsvorschläge stammen aus der Feder von vier Wissenschaftlern, dem Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, dem Medizinrechtler Jochen Taupitz und den beiden Ärzten und Medizinethikern Ralf J. Jox und Urban Wiesing.
Gita Neumann bemängelt ferner, dass die vorgeschlagene Regelung ausschließlich auf die ärztliche Suizidhilfe ausgerichtet ist und sehr restriktive Bedingungen vorsieht. Der Entwurf ist am Vorbild einiger US-Staaten orientiert, wo Suizidhilfe allerdings ansonsten verboten ist.
„Der Entwurf spiegelt eine Paradoxie der deutschen Debatte wider: Es soll etwas ausdrücklich erlaubt werden, was bei uns gar nicht verboten ist, nämlich die ärztliche Suizidassistenz, und es soll dafür etwas verboten werden, was bei uns bislang erlaubt ist, nämlich die Hilfe von jedermann bei einem freiverantwortlichen Suizid“, erklärte Neumann hier. Sie betonte: „Notwendig sind Regelungen, die auch eine Suizidkonfliktberatung durch gemeinnützige Organisationen einschließen. Eine Kombination des in der Schweiz geltenden und des US-amerikanischen Modells wäre dabei am sinnvollsten. Auf jeden Fall lehnen wir eine neue Kriminalisierung – wie in dem Gesetzentwurf vorgesehen – entschieden ab. Die vorgeschlagene dreijährige Gefängnisstrafe würde ja ausdrücklich auch einen ärztlichen Suizidhelfer treffen, dessen sterbewilliger Patient nicht tödlich erkrankt ist, sondern beispielsweise unter qualvollen chronischen Altersbeschwerden leidet.“
„Wir wehren uns gegen eine Stimmung in der Politik und in der Ärzteschaft, die unbedingt irgendetwas verboten sehen will, das bisher erlaubt ist“, so Neumann.
Dem vielfach beschworenen Dammbruch sei ausschließlich mit einer besseren Suizidprophylaxe zu begegnen, sagte Gita Neumann weiter. Die Nachfrage nach angeblich hoch problematischen Suizidhilfe-Vereinen würde sich dadurch deutlich vermindern.
Zustimmung zu dem Entwurf der Wissenschaftler äußerte Neumann in zwei Punkten: der Strafbarkeit der Suizidhilfe für Kinder und dem Verbot anstößiger gewerblicher Werbung. Hier hatte der Humanistische Verband Deutschlands bereits im Jahr 2012 einen konkreten Regelungsvorschlag vorgelegt und der damaligen Bundesjustizministerin unterbreitet.