Grußwort zum Jahreswechsel: Wenden werden gemacht!

wintersonnenwende
2022 war ein herausfordendes Jahr: geprägt von der noch immer andauernden Covid-19-Pandemie, dem russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und den zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise. Wir leben in Zeiten des Wandels, in denen es Mut und Engagement braucht, die Errungenschaften der Aufklärung konsequent mit unserem praktischen Humanismus zusammenzubringen. Lesen Sie das Grußwort zum Jahresende von Erwin Kress, dem Vorstandssprecher des HVD Bundesverbandes.

Liebe Humanistinnen und Humanisten,
2022 geht zu Ende. Nach zwei Jahren Corona-Virus hatten wir gehofft, dass wir uns weniger mit Krankheiten beschäftigen müssten und uns mehr um die wichtigen, ‚brennenden‘ Klimaprobleme kümmern könnten.

Doch dann begann Russland – bis heute andauernd – seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ein Zivilisationsbruch wie wir ihn in Europa lange nicht erlebt haben und der kaum vorstellbares Leid nach sich zieht. Bundeskanzler Scholz sprach von einer „Zeitenwende“. Eine risikolose und günstige Energieversorgung auf Kosten der Ukraine wollten wir nicht. Manche mussten sich von einer idealistischen Weltsicht verabschieden. Wer bei uns Putin als Demokraten hofierte, mit dem man einen Frieden erhalten könnte, hat die Augen von Tschetschenien ebenso abgewendet wie von der Krim, dem Donbass und von Syrien.

Bild: Konstantin Börner
Erwin Kress, Vorstandssprecher des Humanistischen Verbandes Deutschlands – Bundesverband

An einer dauerhaften Zeitenwende müssen wir noch arbeiten, in unseren Köpfen. Wir müssen neu für uns definieren, welche Missachtung von Menschenrechten uns billiges Öl, billige Klamotten, billige Arzneimittel und billige Kommunikationsmittel wert sind. Pomp und Wohlstand für ein paar Einheimische in Katar auf dem Rücken billiger Arbeitskräfte lenken ab von unserer alltäglichen Nutzung miserabel entlohnter Arbeitskräfte in den Nähereien von Bangladesch oder Kambodscha, in indischen Chemiefirmen, in den riesigen Fabriken in China, in denen einkasernierte Arbeitskräfte unsere Handys zusammensetzen.

Die Zeitenwende lässt auch auf sich warten in unserem Verhältnis zur Klimakrise. Dass der Staat angesichts horrender Preissteigerungen armen Menschen bei Heiz- und Fahrtkosten finanziell zu Hilfe kommt, ist in Ordnung. Dass der Staat nicht in der Lage ist, uns ein Tempolimit abzufordern, dass Diesel weiterhin so billig ist, dass wir Tomaten, Blumen, Joghurt, Getränke etc. ständig quer durch Europa karren können, ohne dass der Transportweg an der Kasse aufschlägt, das wirft ein schlechtes Licht auf unsere Wende. Mit dem E-Bike in den Berg, weil man den Downhill-Kitzel braucht? Ich rege mich auf, aber ich habe auch nur einen Pullover an und fahre Auto, wo mit ein wenig Zeit und gutem Willen auch der öffentliche Verkehr verfügbar wäre. Nun, da braucht es noch viel zur Wende in unseren Köpfen.

Eine andere Wende scheint von alleine zu kommen, der Anbruch der Säkularen Wende wird verkündet. Aber auch da gilt, Zahlen von Menschen mit und ohne Konfession ändern sich aus unterschiedlichen Gründen. Die Durchsetzung von Menschenrechten, auch in unserem Land, ist dagegen ein längerer, mühsamer Prozess. Die Auseinandersetzung um Autonomie am Lebensende begann nicht mit dem Gang nach Karlsruhe. Um die Rechte von Frauen, aktuell um den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch, wird seit langem gekämpft. Diese Ziele haben nichts mit Konfessionsfreiheit zu tun. Hierfür setzen sich auch religiöse Menschen ein.

Aber all diese Herausforderungen und Veränderungen haben auch mit uns zu tun, denn es braucht unseren Mut und unser Engagement, die Errungenschaften der Aufklärung konsequent zusammenzubringen mit unseren zahlreichen Ansätzen von praktischem Humanismus. Auch wenn es schwerfällt, dürfen uns die zahlreichen Krisen nicht verzagen lassen. Denn, dafür treten wir täglich ein, Veränderung kann nur von Menschen für Menschen erstritten werden. Und das ist nicht immer ein Spaziergang, sondern hat mit Mut und Verzicht, mit Mitgefühl und Konsequenz zu tun.

In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen, die sich in unserem Verband und um ihn herum für einen praktischen Humanismus engagieren, dass Sie auch weiterhin Ihren Teil zum Guten beitragen können und dass Sie sich nicht entmutigen lassen. Denn es braucht viele Engagierte, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. In diesem Sinne: Bleiben Sie unverzagt!

Ich wünsche allen ein fröhliches und geruhsames Jahresende, möglichst im Kreis lieber Menschen, und alles Gute für das kommende Jahr.

Für den Bundesvorstand des Humanistischen Verbandes Deutschlands
Erwin Kress

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